als kopfscheu bezeichnet man ein pferd dann, wenn es sehr empfindlich oder ängstlich auf berührungen oder auf generell jegliches hantieren am kopf reagiert.
das macht den umgang mit dem pferd alles andere als einfach!
es macht auch dem pferd das aufeinandertreffen mit dem menschen schwer.
denn der will ihm ja immer an den kopf – schon allein beim simplen aufhalftern.
wie stark das phänomen ausgeprägt ist, variiert.
das spektrum reicht von pferden, die nur berührungen an den ohren unangenehm empfinden
über solche, die den kopf generell entziehen
bis hin zu pferden, die man kaum aufhalftern kann, weil sie einen nicht ran lassen.
ursachen
das pferd hat dafür gute gründe.
die muss man als erstes verstehen, bevor man sich daran machen kann,
die kopfscheue „wegzutrainieren“.
zwei hauptsächliche ursachen müssen wir dabei auseinanderhalten:
schmerzen und schlechte erfahrungen.
schmerzempfindungen bei berührungen am kopf führen natürlich dazu,
dass das pferd den kopf wegzieht.
ganz typisch ist berührungsempfindlichkeit in der nähe der ohren,
wenn das pferd (wie leider häufig der fall) unter verspannungen im genick
oder problemen in den ersten wirbeln der halswirbelsäule leidet.
zahn- und kieferprobleme sind eine weitere häufige ursache für schmerzgeschehen im kopfbereich
und führen ebenfalls dazu, dass sich das pferd im gesamten kopfbereich ungern anfassen lässt.
in diesem fall ist das direkte behandeln der ursache der nötige erste schritt.
solange die schmerzen bestehen, machen trainingsmaßnahmen keinerlei sinn.
die können allerdings danach noch erforderlich sein,
wenn das pferd die schmerzen als negative erfahrungen abgespeichert hat
und nun bei jeder berührung wieder mit schmerzen rechnet,
auch wenn die ursache schon behoben ist.
das ist so wie bei jeglicher art von schlechter erfahrung.
wurde das pferd grob behandelt oder gar am kopf geschlagen,
wurde es durch gewaltsames festhalten am kopf zu unangenehmen dingen (wie wurmpasten oder zahnbehandlung ohne sedierung) gezwungen,
oder ist gar schon beim ersten gewöhnen des rohen pferdes an halfter und geführt werden unsanft vorgegangen worden,
dann speichert das pferd ab:
„wenn mir der mensch an den kopf will, wird es unangenehm.“
kein wunder, wenn es sich dem dann entziehen will und kopfscheu reagiert!
wobei man genau unterscheiden muss,
ob es um die direkte berührung geht oder ob jegliches hantieren in kopfnähe,
manchmal auch nur im vorderen halsbereich, schon ein scheuen auslöst.
berühren oder hantieren?
die kopfscheuen pferde fallen nämlich in zwei kategorien:
die einen mögen nur die menschliche hand direkt am kopf oder teilen des kopfes nicht,
lassen aber anderes wie aufhalftern halbwegs problemlos geschehen.
die anderen haben wenig probleme mit (sanften) berührungen,
lassen sich auch an den ohren oder am maul kraulen,
doch wehe man kommt mit halfter oder zaumzeug,
mit fliegenspray oder gar mit wurmpaste oder der tierarzt mit der spritze!
bei der zweiten gruppe ist die ursache leicht erratbar.
es liegen eindeutig negative erfahrungen, vielleicht sogar traumatische erlebnisse vor.
und denen kommt man nicht von heute auf morgen bei.
das braucht erstens zeit und geduld
und zweitens die richtige herangehensweise.
training für kopfscheue pferde
bevor man das training mit meinem kopfscheuen pferd angeht,
sollte man darauf achten, dass das pferd möglichst wenig stress hat
und wirklich entspannt ist.
also nicht grad an einem windigen tag mit großer unruhe in der herde
oder gleich nach einem stallwechsel oder einem tierarztbesuch anfangen.
je gestresster das pferd ist, desto schneller reagiert es übersensibel und scheut vor unangenehmen dingen zurück.
wie auch umgekehrt jede angstreaktion (und nichts anderes ist die kopfscheue) den stresspegel hochtreibt.
ruhe und gelassenheit sind auch der schlüssel für das eigentliche training gegen die kopfscheue.
also für ruhige umgebung sorgen, selber cool und geduldig bleiben und dann behutsam und schritt für schritt vorgehen.
und zwar folgendermaßen:
- schrittweise desensibilisierung
das pferd muss vorsichtig an berührungen /hantieren am kopf gewöhnt werden.
dazu fangen wir in einem bereich an, wo es das noch gut akzeptieren kann, und arbeiten uns schrittweise vor.
manchmal hilft es, nicht die hand selber, sondern ein tuch, einen schwamm oder eine weiche bürste zu nehmen.
das ziel ist es, dass das pferd die berührung als neutral oder sogar angenehm erlebt.
- keine schnellen bewegungen
schnelle bewegungen grade in kopfnähe erschrecken das pferd und machen es noch misstrauischer.
daher bitte überrumpeln oder „schnelll, schnell“ das halfter raufziehen, damit man es hinter sich hat,
das gelingt einem sowieso kaum und es macht das pferd fürs nächste mal noch misstrauischer.
- keine tricks
der versuch, das pferd auszutricksen, geht ebenfalls nach hinten los.
es auf der einen seite ablenken oder ihm futter vor die nase halten,
um schnell irgendwas zu machen, was es sich sonst nicht gefallen ließe,
funktioniert vielleicht das eine mal.
doch beim nächsten mal ist das pferd auf der hut oder es fängt sogar an, genau diese manöver ebenfalls zu fürchten. - kein festhalten
jedes festhalten am kopf macht die sache schlimmer und produziert mehr angst oder mehr widerstand.
das pferd erlebt den zwang als zusätzlichen grund, den kopf eben nicht vertrauensvoll herzugeben,
und fühlt sich als fluchttiert sofort in gefahr.
man kommt damit innerhalb kürzester zeit nur ein pferd, das sich erst recht wehrt
und schließlich von niemandem mehr gehalten werden kann.
- von hinten anfangen
direkt auf das problem am kopfende zuzusteuern, ist in der regel der schwierigste weg.
besser ist es, das pferd an berührungen am restlichen körper zu gewöhnen
und sich buchstäblich von hinten nach vorne zu arbeiten.
das gilt übrigens auch im übertragenen sinn:
wer die hinterhand des pferdes aktiviert, sorgt durch besseres gleichgewicht für mehr sicherheit beim pferd
und durch die dann mögliche dehnung für mehr entspannung im genick.
- nicht zuviel auf einmal
die trainingsschritten zur gewöhnung an berührungen oder hantieren am kopf kosten das pferd überwindung.
es soll ja seinen bisherigen reflex „kopf wegziehen“ ablegen und seine angst ablegen.
überwindung kostet kraft.
daher gilt es: nicht zuviel auf einmal üben
und aufhören, solange es gut geht und bevor es dem pferd zu viel wird.
vertrauen
das ziel beim training mit dem kopfscheuen pferd besteht darin, dass es vertrauen fasst.
nur so kann es seine angst vor der berührung oder vor dem hantieren in kopfnähe ablegen.
je nach vorgeschichte des pferdes und je nach dem grad seiner sensibilität kann das auch länger dauern.
liegt grundsätzlich ein schwieriges verhältnis zum menschen vor,
zahlt es sich aus, auch weitergehend in den vertrauensaufbau zu investieren
und dem pferd viel zeit und gelegenheit für positive erlebnisse mit dem menschen zu geben.