November 24, 2023

probleme beim longieren – und überraschende lösungen

probleme beim longieren werden gerne als widersetzlichkeit eingestuft und als disziplinarfrage gewertet.
da wird dann dazu geraten, sich mit entsprechendem treiben von hinten durchzusetzen
oder man greift zu diversen hilfszügeln, um das pferd „in haltung“ zu bringen.

womit haben wir’s dabei zu tun?

die probleme an der longe fallen zumeist in drei kategorien:
– das pferd hält den zirkel nicht ein, sondern bricht aus oder versucht es wenigstens
– das pferd will an einer bestimmten stelle nicht vorbei und bricht aus oder beschleunigt
– das pferd verweigert das longieren ganz oder auf einer seite, indem es sich blitzschnell mit der nase zum menschen stellt.

jedenfalls aus der sicht des menschen.

aus der sicht des pferdes sieht die sache in der regel anders aus.
und die probleme fangen viel früher an – in der mangelhaften ausbildung und der unzureichenden gymnastizierung.

schauen wir uns das ganze anhand von drei fallbeispielen an:

ausbrechen an der longe

eine dreijährige haflingerstute macht probleme.
an der longe spielt sie nur im schritt mit.
sowie es an den trab geht, reißt sie sich los und zieht mit wehender longe davon.

bei genauerer betrachtung wird rasch klar:
das macht sie auf der linken hand und nach einer 3/4 runde am zirkel.
wobei man schon nach der hälfte der runde sieht, dass sich widerstand aufbaut.

treibt man „vorsorglich“ mit der gerte tüchtig nach,
führt das nur dazu, dass sie den kopf noch höher nimmt und mit mehr elan ausbricht.

dem haflinger schiebt man ja schnell einen dickschädel als motiv unter.
weit gefehlt!

die stute hatte ein riesenproblem, sich auf der linken seite zu biegen,
vor allem auf dem kleinen zirkel, der zum longieren verwendet wurde.
auf einem ganz großen longierzirkel und auf der rechten seite war es deutlich besser, wenn auch nicht wirklich gut.

im schritt konnte sie das ganze noch kompensieren.
im trab dann nicht mehr (und an galopp war gar nicht zu denken).

in so einem fall bringt weiterhin longieren nicht viel.
zuerst heißt es mal: zurück zum gymnastizieren,
gleichgewicht und balance aufbauen und die feste linke schulter lockern, damit biegung möglich wird.

bocken an der kurzen seite

ein springpferd, 8 jähriger warmblutwallach, wird im training in einer kleinen halle longiert.
dabei bockt er jedesmal an der einen kürzeren seite der halle,
wenn man ihn zum weitergehen antreibt, rennt er hektisch und planlos drauflos
und lässt sich kaum mehr händeln.

dazu kommt noch, dass das pferd in einem großen betrieb eingestellt
und vom dortigen (ziemlich überlasteten) personal bewegt wird, nicht vom besitzer.
personal, das wenig ausbildung und noch weniger zeit,
aber den auftrag hat, für die bewegung (und das muskeltraining) der pferde zu sorgen.

der wallach hat noch ein ganz anderes problem: er hat angst vor dem wassergraben.
um ihm die zu nehmen, wird in der trainingshalle öfter mal eine blaue plane auf den longierzirkel gelegt.
manchmal liegt sie auch nur zusammengerollt an der hallenwand.

genau. neben dem zirkel.
gleich nach der kurzen seite, an der der wallach bockt.
das pferd hat nämlich auch vor der plane angst
(wenn er im trab drüber muss, springt er mit schreckgeweiteten augen
oder versucht, außenrum zu kommen).

packt man die plane weg, bockt er auch nicht mehr.

das pferd braucht also kein longentraining,
sonderen ein übungsprogramm, wie es die angst vor der blauen plane
(und später dem wassergraben im parcours) ablegen kann.

blitzschnelles abwenden

der ponywallach war als superbraves pferd im schulbetrieb gegangen,
doch bei der neuen besitzerin klappte das longieren nicht.
beziehungsweise nur auf einer seite.

rechts rum ging alles gut, doch links rum wandte er sich blitzschnell mit der nase zu ihr.
kaum eine chance, ihn auf den longierzirkel zu bekommen.
wenn (mit helfer) doch, dann nutzte er jeden kurzen halt sofort wieder für sein wendemanöver.

eigensinniges pony?
im schulbetrieb verdorben?

nein. schlicht ein körperliches problem.

das pferd war schlecht geritten worden,
lief stark auf der vorhand, mit hochgedrücktem kopf und unterhals,
und einer völlig steifen linken schulter.
die tierärztliche untersuchung und osteopathische behandlung ergab den selben befund.

dem wallach fiel das laufen an der longe auf der linken seite so schwer,
dass er versuchte, sich dem zu entziehen.

kein fall für mehr gehorsam einfordern und sich durchsetzen,
sondern eindeutig ein fall für eine vernünftige behandlung der verspannungen und fehlhaltung.
danach war das pony wieder das bravste pferd.

in fast allen problemen beim longieren, die einem so begegnen, sind körperliche probleme des pferdes die ursache.
in einigen wenigen fälle sind es emotionale probleme wie angst oder stress.
aus böswilligkeit jedenfalls bockt ein pferd an der longe eher nicht.

wie man die longenarbeit ungewöhnlich und direkt zur gymnastizierung einsetzen kann, das ist thema im fachwebinar „gymnastizierung an der longe“

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