Juli 26, 2024

sind pferde wirklich steppentiere?

es heißt ja oft, dass pferde steppentiere sind. stimmt das aber überhaupt?
und wenn ja, was folgert daraus?

will man pferden artgemäße haltungsbedingungen ermöglichen,
ist die frage ja nicht unwesentlich.
nicht zuletzt auch dann, wenn es um die „nutzung“ der pferde
und was da wann zulässig ist oder nicht, geht.

ursprung der pferde

die ersten vorläufer der pferde (dasetwa hundegroße hyracotherium) lebten bereits vor 55 millionen jahren in nordamerika.
aus ihnen entstanden mehrere die ersten pferdearten, wie sie vor rund 10 millionen jahren in nordamerika lebten.
teils in den graslandschaften der great plains, teils in wäldern.

aus diesen teils von unseren heutigen pferden sehr unterschiedlichen arten
entwickelten sich die einhufigen graslandbewohner,
die zur gattung equus wurde und sich erst vor rund zwei millionen jahren aus nordamerika nach eurasien und afrika ausbreiteten.

sie passten sich dort an die offenen landschaften und steppen an,
die ihnen einen guten lebensraum boten.
die letzte überlebende wildpferdart ist das przewalski-pferd.
an ihm können wir die typischen merkmale der anpassung ans leben in der steppe sehen:
ein dickes fell, eine robuste natur und eine ausgeprägte sozialstruktur.

die heutigen hauspferde sind auf eine bestimmte gruppe von wildpferden im nordkaukasus zurückzuführen
und wurden vor rund 4.000 bis 5.000 jahren domestiziert.

durch die selektion des menschen haben sich die heutigen pferdearten mit all ihren unterschieden entwickelt.
wir finden an kalte klimazonen angepasste kleinwüchsige pferde wie die islander vor,
kennen schnelle läufer aus den ariden regionen nordafrikas und alles dazwischen,
in allen größen vom winzigen shetty bis zum riesigen shirehorse.

lebensraum steppe

steppen sind weite graslandschaften mit wenig bäumen.
die offenen flächen kommen dem fluchttier pferd natürlich entgegen,
weil es feinde rasch herannahen sieht und schnell fliehen kann.
und sie bieten viel ausreichend gras als nahrung.

klimatisch zeichnen sich steppen durch ein gemäßigtes klima aus,
sie haben heiße sommer und kalte winter und – je nach höhenlage –
oft hohe temperaturschwankungen zwischen tag und nacht.

vor allem aber sind steppen trocken.
die luftfeuchtigkeit ist sehr niedrig,
der jahresniederschlag beträgt oft nur 200 bis 400 mm pro jahr und entfällt häufig auf eine sehr kurze saison.
(im vergleich: in deutschland und österreich liegt der jahresniederschlag im schnitt bei 1000 bis 1200 mm)

pferde im sommer

das argument „steppentier“ kommt immer dann,
wenn die sommerhitze zuschlägt und die frage auftaucht,
ob pferde nun noch bewegt werden sollen oder gar zur arbeit (z.b. zum kutschen-ziehen) herangezogen werden dürfen.

beantworten lässt sich diese frage mit dem verweis auf die steppe nicht.

denn erstens bringt den modernen pferderassen der verweis auf die evolutionären ursprünge wenig,
weil sie inzwischen an verschiedensten lebensräume angepasst wurden
und unter die einzelnen tiere unter ganz anderen bedingungen aufgewachsen sind.

zweitens aber haben wir jedenfalls in mitteleuropa kein steppenklima!
unsere hitze ist feucht und häufig schwül,
begleitet von oft hohem insektendruck und wenig wind.
ganz anders als in den herkunftssteppen der pferde.

aufschluss darüber, was den pferden zumutbar ist, geben uns am besten die pferde selbst.
nämlich dann, wenn sie selbst die wahlmöglichkeit haben,
ob sie sich lieber im schatten oder der sonne aufhalten,
ob sie lieber ruhe halten oder sich bewegen.

studien und beobachtungen haben gezeigt,
dass pferde bei sommerlicher hitze selbst dann den schatten oder stall bevorzugen,
wenn es dort kein futterangebot gibt (das nur im freien verfügbar wäre)
und dass sie zur heißesten tageszeit siesta halten
und freiwillig erst gegen abend wieder rausgehen und sich bewegen.

von wegen: das steppentier rennt bei jeder hitze rum!

übrigens:
anleihen beim steppen-erbe der pferde sollte man sich eher bei der fütterungsart nehmen,
wildlebende pferde verbringen 14 – 18 stunden des tages mit grasen.
auch der verdauungstrakt des hauspferdes ist auf eine kontinuierliche nahrungszufuhr angelegt.
zweimal täglich eine schnitte heu und dazu kraftfutter werden dem in keiner weise gerecht.

 

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