nicht alles, was beim hund nach aggression aussieht, ist das auch.
darauf bin ich neulich hier schon eingegangen.
und nicht alle situationen, in denen der hund tatsächlich reizbar oder mit abwehr reagiert,
lassen sich einfach (betonung auf „einfach“) vermeiden.
denn nicht nur sind da stress, angst und erfahrungslernen am werk,
wenn der hund zu drohen, schnappen oder gar beißen übergeht.
es gibt leider auch medizinische ursachen dafür.
die sind zwar zum glück die minderheit, man sollte sie aber trotzdem kennen.
falls es nämlich mal den eigenen hund betreffen sollte.
ein besonderes warnsignal sind immer plötzlich auftretende veränderungen,
die sich nicht auf einschneidendes erlebnis zurückführen lassen.
wenn sich der hund bislang immer problemlos bürsten ließ
und nun plötzlich nach der hand schnappt, kaum fängt man an,
dann ist das ein alarmsignal.
wenn der hund, der als junghund immer freundlich war zu allen,
nun ohne schlechte erfahrungen gemacht zu haben,
immer griesgrämiger oder nervöser wird und mit fremden meneschen probleme bekommt,
dann lohnt sich eine genauere blick darauf.
nämlich der vom tierarzt.
der tierarzt kann allerdings die veränderungen im verhalten nicht sehen und beurteilen.
daher sind hier die hundehalter selber gefragt und sollten die wichtigsten körperlichen ursachen für gesteigerte reizbarkeit kennen.
1. schmerzen
bei weitem die häufigste körperliche ursache für abwehrschnappen oder gegenwehr sind schmerzen.
die schmerzen sieht man dem hund oft kaum an.
gerade degenerationen im bewegungstrakt oder zahnschmerzen bekommt man als mensch oft erst spät mit.
man merkt sie am ehesten, wenn man den hund irgendwie „falsch“ anfasst.
da kann schon ein schlichtes streicheln über die schmerzhafte hüfte
oder ein kraulen am entzündeten ohr reichen,
und schon fährt der hund im reflex herum und schnappt ab.
auch im kontakt mit anderen hunden reagiert der bislang sonst verträgliche hund womöglich anders.
klar: wenn er damit rechnen muss, dass er im spiel angerempelt wird und das dann weh tut,
dann signalisiert er dem anderen lieber rechtzeitig, dass er ihn gefälligst in ruhe lassen soll.
schmerzen erzeugen zusätzlich im organismus auch immer stress.
und der macht dann noch reizbarer und reaktiver als der schmerz alleine.
(wer schon mal heftige zahnschmerzen gehabt hat, kann gut nachvollziehen,
dass man dabei nicht in friedlichster und freundlichster stimmung ist).
wenn eine abklärung beim tierarzt keine eindeutige diagnose erbringt (was schon mal der fall sein kann),
lohnt sich immer, mit dem tierarzt eine versuchsweise schmerztherapie zu besprechen
und dann zu schauen, ob sich das verhalten auch plötzlich (also ohne training)
wieder verbessert, wenn allfällige schmerzen weg sind.
2. schilddrüse
bei problemen mit der schilddrüse reden wir beim hund in aller regel von einer unterfunktion der schilddrüse.
die störung tritt dann in zwei symptomkategorien auf:
– der hund wird entweder sehr nervös, hibbelig und (trotz allem ehrlichen stressabbau) stressanfällig oder
– der hund wird etwas angespannt, reizbar und griesgrämig.
zweiterer typ ist derjenige, der dann auch schnell mal mit abwehrverhalten parat steht – besonders fremden menschen gegenüber.
die schilddrüsenunterfunktion ist beim hund leider etwas „in mode“ und damit bei tierärzten in verruf gekommen.
zu unrecht, weil sie nämlich häufiger auftritt als das tiermedizinische lehrbuch meint.
(mehr zum thema schilddrüse ist hier nachzulesen).
die schilddrüsenunterfunktion entwickelt sich schleichend, also nicht von heute auf morgen.
wenn einem auffällt, dass der hund im lauf der jahre immer reizbarer wird
oder immer öfter nach fremden schnappt,
kann das (muss aber nicht!) auf eine schilddrüsenunterfunktion hinweisen.
klarheit bringt ein blutbild mit vollständigem schilddrüsenprofil – in kombination mit der verhaltensanalyse!
denn oft liegen die werte im unteren bereich und erst am verhalten kann man erkennen,
ob das noch in ordnung oder schon eine subklinische schilddrüsenunterfunktion ist.
also immer beides beurteilen lassen, wenn der verdacht besteht.
3. neurologische störungen
am schwierigsten zu greifen ist der ganze komplex der neurologischen störungen.
die reichen nämlich von epileptiformen anfällen bis zum gehirntumor und haben alle eines gemeinsam:
sie sind schwer zu diagnostizieren.
zugrunde liegt ihnen veränderungen in der gehirnchemie oder im druckgeschehen auf bestimmte hirnareale,
die dann ihrerseits das verhalten beeinflussen.
auch die können breitgefächert sein:
vom aggressiven ausbruch gleich nach einem epileptischen anfall,
über unerklärliches hochschrecken und schnappen aus dem schlaf heraus
bis zu tiefgehenden veränderungen im ganzen wesen des hundes ist alles möglich.
neurologische störungen dieser art sind zum glück recht selten,
sollten aber allenfalls im hinterkopf behalten werden, wenn der hund sich merkwürdig verändert.
weil es wichtig ist, möchte ich nochmal festhalten:
die meisten ursachen für reizbarkeit oder aggression sind KEINE medizinischen,
sondern kommen durch schlechte erfahrungen und überforderung zustande.
(siehe dazu auch diesen artikel oder in ausführlicher form
das (kostenpflichtigen) webinar „abwehrverhalten und aggression beim hund“)
man sollte aber um die möglichen körperlichen probleme, die zu aggressivem verhalten führen können, wissen.
und sei es nur, um sie gezielt ausschließen zu können.