wenn der hund schnappt – und zwar nach dem eigenen menschen – gibt es schnell mal blaue flecken, verzweifelte hundehalter und große ratlosigkeit.
warum bloss macht er das?
die erklärung scheint oftmals schnell gefunden:
er wehrt sich, weil ihm was nicht passt.
es passt ihm nicht,
dass es schon nach hause geht und er an der leine mitgehen soll,
dass er gebürstet wird und man ihn festhalten muss, weil er rumzappelt,
dass man ihn vom mäuseloch wegbefördert, in dem er grade wild buddelt,
….
in jedem der genannten fälle ist es ja so,
dass der hund nicht seinen willen bekommt.
was ist also naheliegender als der schluss, dass er zuschnappt, weil ihm was nicht passt?
doch stimmt das auch?
nicht wirklich.
ein genauerer blick lässt ergibt:
immer sind es situationen, in denen der hund physisch zurückgehalten oder festgehalten wird.
praktisch immer sind es situationen mit hohem erregungspegel des hundes.
und fast immer sind es momente, wo der hund in seinen augen druck vom menschen bekommt.
nun wäre es zu platt, einfach zu sagen: der mensch ist selber schuld,
wenn der hund die zähne zeigt oder nach ihm schnappt.
natürlich spielt der mensch bei manchen formen des schnappens eine rolle, aber nicht bei allen.
es gibt ja unterschiedliche ursachen, die dazu führen können,
dass der hund schnappt oder dass er sich wehrt.
und ja: das alleine sind schon zwei verschiedene dinge!
denn bei weitem nicht immer handelt es sich um aggressives verhalten,
schon gar nicht um ein „maßregeln“ des menschen durch den hund.
(detaillierteres zum thema aggression und bissverhalten und wie man sie vermeidet gibt es im (kostenpflichtigen) webinar „bissprävention: sicherheit für mensch und hund“, zu dem ihr euch hier anmelden könnt.)
trotzdem gilt es natürlich immer, das schnappen sehr ernst zu nehmen,
weil aus einem ursprünglich gar nicht als abwehr gedachtem verhalten schnell eine gelernte reaktion werden kann.
was sind nun also die unterschiedlichen motive fürs schnappen?
hier ein kurzer überblick über die häufigsten ursachen:
1. übersprungshandlungen
die häufigste ursache fürs schnappen ist mit sicherheit eine übererregung im hund.
bei sehr großer aufregung werden hunde „maulig“.
das heißt: sie zeigen einen oralen reflex
und die tendenz, die innere anspannung mit dem maul abzuarbeiten.
wir kennen das ja, wenn der junghund so überdreht ist, dass er sein spielzeug oder seine decke zerfetzt.
oder wenn der hund mit trennungsangst das sofa zerlegt oder die türen zerbeißt.
(wir kennen’s auch beim menschen, der im stress mehr isst, mehr raucht oder fingernägel kaut).
gerät nun der hund unterwegs so in überdrehtheit oder rage,
dass er sich irgendwas ins maul schnappt, dann hat er da nicht viel auswahl:
die leine, die ärmel oder hosenbeine vom menschen sind das einzige in reichweite.
wenn er heftiger zuschnappt, dann sind es nicht nur ärmel, sondern auch der unterarm
und nicht nur hosenbeine, sondern auch mal eine wade.
allerdings – und das ist wichtig – nicht gezielt!
der hund will jetzt nicht seinen menschen in den arm zwicken,
sondern der arm ist das, was der hund erwischt, wenn er grad blindlings um sich schnappt.
was er erwischt, hängt mehr von seiner bewegungsrichtung und der körperhaltung des menschen ab,
als von seiner absicht.
dann kommt es dazu – und die beispiele sind alle aus dem echten leben gegriffen –
dass einem der welpe plötzlich „an die gurgel gehen will“
(weil der überdrehte welpe in die leine beißen will und der mensch die grad vor der brust hochnimmt – echt schon passiert!),
dass der hochgradig gestresste tierheimhund dem pfleger „den bauch aufreißen will“
(selbiges hier: der hund will in die leine beißen, die der pfleger ganz kurz und direkt vor seinem bauch hält.)
oder dass der traumatisierte und mit anderen hunden unverträgliche hund einen beim anblick eines hundes in weiter ferne die beine grün und blau beißt.
es sind alles beispiele,
wo der hund sich definitiv NICHT wehrt,
wo es nicht darum geht, dass ihm etwas nicht passt.
es sind schlicht situationen, in denen der hund bereits völlig überfordert ist
und sich seine innere anspannung übers maul entlädt.
den hund dafür zu strafen über schimpfen, anbrüllen oder sonstige maßnahmen, wäre grundverkehrt.
weil das ja den stresspegel nur noch weiter hochtreibt und sein eigentliches problem größer macht.
also besser schnell raus aus der situation,
dem hund allenfalls was geeignetes zwischen die zähne geben (stichwort beißwurst oder kauknochen)
und noch besser: es erst gar nicht so weit kommen lassen.
2. eskalation von aufmerksamkeitsheischendem verhalten
die zweite häufige ursache für zwicken und schnappen hat noch weniger damit zu tun,
dass dem hund was nicht passen würde.
dabei geht es nämlich um aufmerksamkeitsheischendes verhalten,
das völlig entgleist ist.
das gibt es leider tatsächlich:
aus dem netten spiel mit dem welpen am sofa, mit dem man mit den händen rangelt,
wird innerhalb von ein paar monaten das problem,
das man sich nicht mehr aufs sofa setzen kann, weil der hund dort dann gleich zwickt und beißt und knabbert.
alles „nein“ und „aus“ und wegschieben hilft nicht,
ganz im gegenteil:
der hund wird immer wilder, bis er wirklich schmerzhaft zuschnappt.
das grundlegende problem hier ist auch nicht, dass der hund sich wehren würde
oder dass ihm was nicht passt.
vielmehr haben wir es wieder mit übermäßiger erregung einerseits zu tun
und mit einem falsch eingelernten verhalten andererseits.
denn erst war es aufdringliches verhalten, das man mit aufmerksamkeit belohnt hat.
dann wurde daraus knabbern und leichtes zwicken, das auch mit aufmerksamkeit belohnt wird.
und ist der hund dann richtig aufgedreht
(oder versucht man, das schlichte knabbern zu ignorieren),
dann wird daraus schmerzhaftes zwicken und schnappen.
mehr dazu hab ich in diesem video mal kurz beschrieben.
die lösung ist jedenfalls auch hier eindeutig:
man sollte das erst gar nicht so weit kommen lassen.
stressabbau und ruhe für den hund sind die zentralen ansatzpunkte
und im aktuen moment hilft da nur räumliche trennung und ein kauknochen, an dem sich der hund abreagieren kann.
3. gelerntes abwehrverhalten und schnappen
nun haben die beiden erstgenannten ursachen leider eine schlagseite:
der hund lernt dabei auch immer etwas.
er lernt, dass er ganz schnell in ruhe gelassen wird, wenn er zuschnappt.
er erlernt also ein wirksames mittel, sich gegebenenfalls jemandem vom leib zu halten.
je nach naturell des hundes lernt der eine das langsamer, der andere schneller,
und speichert der eine es bereitwilliger ab als der andere.
gerät der hund dann in bedrängnis, fällt ihm das womöglich wieder ein.
besonders dann, wenn der hund öfter und größerem druck vom menschen ausgesetzt ist
und bisher die erfahrung gemacht hat, dass sein methoden nicht wirken.
dass er also über beschwichtigen und deeskalieren dem druck nicht entkommt.
und dass der druck wirklich unangenehm ist oder gar schmerzen verursacht.
greift er dann aufs schnappen zurück,
dann setzt ein fataler lerneffekt ein:
endlich etwas gefunden, das wirkt!
das wird sofort abgespeichert und in zukunft öfter eingesetzt.
vielleicht sogar immer früher und immer gezielter.
bis man dann tatsächlich einen hund hat, der sich bewusst wehrt,
wenn ihm etwas unangenehmes droht.
das ist nun tatsächlich der fall, wo der mensch einen großen beitrag zum entstehen des problems leistet.
denn der druck und das bedrängtwerden müssen ja erst von irgendwoher kommen.
der mensch liefert erst den anlass dafür, dass der hund das gefühl hat, sich wehren zu müssen.
druck, schimpfen und die (nachvollziehbare) angst-reaktion des menschen, die ihn grob werden lässt,
macht das alles sehr schnell sehr viel schlimmer.
so weit darf man es auf keinen fall kommen lassen.
daher unbedingt alle „unangenehmen“ dinge langsam und positiv aufbauen,
allfällige ressourcenverteidigung unter fachgerechter anleitung weg-trainieren
und den hund nicht unter druck setzen.
neben den genannten ursachen gibt es auch medizinische faktoren,
die beim hund dazu führen können, dass er unerwartet zuschnappt
oder sich schnell mal mit schnappen wehrt, wenn was nicht passt.
dazu dann aber nächste woche mehr….
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