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by brigid

Oktober 20, 2024

impulskontrolle

impulsives verhalten und mangelhafte impulskontrolle sind eine zentrale ursache für viele probleme mit dem hund.

wenn er andere hunde anbellt,
wenn er an der leine zerrt,
wenn er fremde anspringt,
wenn er hinter laufenden kindern herrennt,
wenn er wildtieren hinterher setzt,

kommt dann der ruf nach mehr „impulskontrolle“.

(übrigens:  was man bei den letzten beiden punkten tun kann, besprechen wir demnächst im neuen (kostenlosen) webinar „hund startet durch – was tun?“, für das du dir gleich hier deinen platz resesrvieren kannst:

so einfach ist die sache aber nicht.
denn hinter dem schlagwort impulskontrolle verbergen sich gleich mehrere sehr unterschiedliche dinge.
und manche davon sind einfach verkehrt.

unterdrücken klappt nicht

da wär einmal der ansatz, dass man den hund über „gehorsam“ dazu bringt,
kein impulsives verhalten auszuüben.

jedenfalls keine unerwünschte impulsivität.
denn während uns unkontrolliertes bellen oder leinezerren natürlich missfallen,
haben viele nichts gegen überschäumende freude, stürmisches begrüßen oder wildes spiel beim hund
und fördern impulsivität mit manchen spielformen sogar noch.

kommt dann ein impuls daher, der uns probleme macht, soll der hund dem aber nicht nachgeben.
da er das aber nicht hinkriegt, hilft der mensch nach.

er versucht, den hund mit signalen unter kontrolle zu halten
(oder im schlimmeren fall noch mit strafmaßnahmen, wie „stupser“, bewerfen mit dingen, anschreien,….).

ein scharfes „fuß“ oder nachdrückliches „sitz“ soll dazu führen,
dass der hund in momenten, wo sonst die impulse mit ihm durchgehen würden,
nun gesittetes verhalten an den tag legt.

sprich: im hund drinnen kochen die impulse hoch und wollen raus.
von draußen kommt der druck vom menschen, dass der hund aber ruhig bleiben soll.
wie lange geht das wohl gut?

das eine oder andere mal ist der hund vielleicht soweit eingeschüchtert, dass er nicht los legt.
doch innerlich steigt nun der druck.
neben den hochkochenden impulsen sorgt ja nun der stress durch den außendruck dafür, dass es im hund brodelt.

eher früher als später fliegt einem die sache dann um die ohren.
wie bei einem druckkochtopf, bei man man – trotz überdruck innen – noch versucht, den deckel fest drauf zu halten.

mal ganz abgesehen von den lerneffekten beim hund.
der nimmt davon nämlich mit, dass sein mensch in schwierigen situationen versagt
und ihm statt stütze noch zusätzliche bedrohung ist.

wenn der hund seine impulse nicht unter kontrolle halten kann,
bringt es nichts, wenn der mensch versucht, sie von außen zu kontrollieren.

symptom oder ursache?

sinnvoller wäre es,  sich zu fragen:
wieso brodelt es im hund überhaupt so?
wieso reagiert er überhaupt so impulsiv?

ist das eigentliche problem die impulsivität?
oder ist die impulsivität symptom eines tieferliegenden problems?

wenn ein hund angst vor fremden menschen hat und sie deswegen verbellt, wenn sie ihm zu nahe kommen,
dann kann man noch soviel impulskontrolle üben oder deckentraining mit ihm machen,
er wird trotzdem angst haben, wenn ihm ein fremder zu nahe oder ein besucher bei der tür herein kommt.

ähnliches gilt, wenn der hund gerade eine stressphase durchlebt oder insgesamt einen zu hohen erregungspegel hat,
da kann man viele stunden vergeblich impulskontrollübungen machen.
dem hund ist es aufgrund seiner neurophysiologischen verfassung schlicht nicht möglich, seine impulse im zaum zu halten.

hat der hund hingegen gelernt, dass er nie warten muss und dass er immer alles sofort haben kann,
dann hatte er noch wenig chance, geduld und selbstbeherrschung aufzubauen und es macht durchaus sinn,
mit ihm an der impulskontrolle zu arbeiten – wenn man darunter versteht,
dass er gelassener wird und auch auf auslöser-reize von impulsivem verhalten ruhig reagieren kann.

falsche verknüpfung?

so manche vermeintliche impulsivität ist in wirklichkeit eine eingelernte reaktion, nichts weiter.
das klassische beispiel: leinenpöbeln.

anfangs war der junge oder neu übernommene hund aufgeregt oder überdreht
und hat deswegeben bei hundebegegnungen an der leine gezerrt.

aus der reaktion der umwelt und aus dem verhalten des eigenen menschen hat der hund rasch gelernt:
kommt ein hund, dann habe ich mit leinezerren und ungestümem verhalten zu reagieren.
das lohnt sich für mich am meisten, so bekomme ich aufmerksamkeit, „das will mein mensch so“.

ähnlich kann das auch mit anderen auslösern laufen.
der hund ist eigentlich ganz gelassen, hat kein problem mit impulsivität,
hat aber gelernt, bei bestimmten auslösern hochzufahren.

da kann man dann lange die impulskontrolle üben, wenn der hund schlicht eine falsche verknüpfung hergestellt hat.
sein verhalten wird dann von der verknüpfung und von den lernerfahrungen gesteuert,
nicht von der impulsivität verursacht.

was tun?

bevor man also die mangelnde impulskontrolle als problem angeht,
muss man zuerst schauen, ob der hund tatsächlich zu impulsiv ist.
und ob er das aufgrund einer stressbelastung ist oder ob er nicht gelernt hat, mit seinen impulsen gut umzugehen.

erst dann macht es sinn, ein geeignetes übungsprogramm anzugehen:
gelassene reaktionen auf bestimmte auslöser einzuüben,
generelle impulskontrolle und geduld zu stärken  (auch bei sich selber)
und sich jedenfalls klar zu sein, dass ein unterdrücken von impulsen eine sackgasse ist.

wie sowas konkret aussehen könnte, schauen wir uns am beispiel rennen und hetzen demnächst im webinar „hund startet durch – was tun?“ an.

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.