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by brigid

August 4, 2024

hund auspowern

immer wieder hören wir, dass wir den hund auspowern müssen,
dass wir ihm viel bewegung verschaffen und ihn so richtig müde machen sollen.

aber stimmt das auch?

nein! mitnichten.

ganz im gegenteil macht das auspowern das problem oft noch schlimmer.

das problem ist ja, dass der hund vermeintlich zu viel energie hat,
dass er daher ungeduldig und stürmisch reagiert
und einem dann empfohlen wird: der braucht mehr auslastung.

zu einem kleinen teil stimmt das.
allerdings braucht er in erster linie auslastung für den kopf.

was der hund außerdem braucht ist mehr ruhe im leben.

ja, er braucht bewegung.
es sollte aber mehrheitlich ruhige, gemächliche bewegung mit viel schnüffeln sein.

gegen einen gelegentlichen sprint oder ein kurzes rumtoben mit anderen hunden spricht gar nichts.
nur zuviel soll es nicht sein, denn dann kippt die sache ins gegenteil.

schnelles rennen, bällchen oder stöckchen hetzen,
wildes rangeln oder zerren und alle anderen formen von körperlicher bewegung,
die viel energie brauchen, brauchen zu ihrer ausführung nämlich noch etwas anderes:

adrenalin.

aufputschmittel adrenalin

das adrenalin ist wesentlich beteiligt daran, die energie für kraftvolle bewegung bereit zu stellen.
ohne adrenalin kommt man nicht in die gänge.

wird das stresshormon adrenalin angeworfen, kommt auch das zweite stresshormon cortisol ins spiel.
mehr stresshormone sind aber das letzte, was der hund heutzutage braucht.

mehr stresshormone im körper heißt:
mehr anspannung, ein chronisch hoher erregungspegel, stressbelastung
und alle ihre folgen für das verhalten und die gesundheit des hundes.

praktisch alle beschäftigungsformen, die zum „auspowern“ üblicherweise empfohlen werden,
führen zu etwas mehr oder sehr viel mehr stress beim hund.

stress aber wiederum macht hibbelig, unruhig –
und vermittelt so den eindruck, der hund brauche mehr auslastung.

man versucht also, ihn noch mehr auszupowern – und macht damit alles noch schlimmer.
den hund durch „auspowern“ immer weiter aufzuputschen, macht also keinen sinn.

3 weitere gründe

darüber hinaus gibt es weitere gute gründe, das „auspowern“ gründlich zu überdenken.
denn es bleibt ja nicht bei den stresshormonen alleine.
die sache hat auch andere unangenehme folgen.

1. anerzogene impulsivität

weite bereiche der hundeerziehung bestehen daraus,
dem hund impulskontrolle zu vermitteln
und ihm selbstbeherrschung als erfolgreiche strategie zur bewältigung von aufregenden situationen beizubringen.

das ist auch gut und wichtig.

doch dann gehen wir her und powern ihn mit spielen und aktivitäten aus,
die fast immer seine impulsivität fördern.

er hetzt einem wegrennenden impuls hinterher (einem bällchen, einem frisbee, der reizangel…),
ganz wie im jagdverhalten übrigens.
im nächsten moment soll er aber wieder ganz cool und kontrolliert sein,
wenn ein hase vor ihm aufspringt oder auch nur ein radfahrer vorbeizischt.

er tobt auf der hundewiese fast täglich eine halbe stunde oder länger mit anderen hunden rum,
soll aber bei jedem hund an der leine gesittet und desinteressiert vorbei gehen.

schwierig!

schlauer wäre es, bei der auslastung des hundes jene qualitäten zu fördern,
die wir sonst auch brauchen: gelassenheit, aufmerksamkeit, geduld…
oder zumindest nicht das gegenteil einzuüben.

2. konditionierte aufregung

nicht zuletzt ist das deswegen wichtig,
weil der hund auch beim auspowern laufend lernt.

er lernt ja nicht nur, dass sich sein impulsives verhalten lohnt.
er lernt auch unwillkürlich, auf emotionaler ebene
(durch die sogenannte „klassische konditionierung“),
was alles im leben aufregung verheißt.

genau: verheißt.
nicht bloß tatsächlich verursacht.

wenn er andere hunde praktisch immer als kumpel für wilde spiele erlebt,
dann findet er die noch aufregender als ein hund andere hunde sowieso schon findet.

wenn er sich bei wurfspielen in große aufregung reinsteigert
(egal, ob er die als freudige aufregung erlebt),
dann reicht schon der anblick eines balls und er flippt halb aus.

der hund verknüpft ziemlich willkürlich unterschiedliche facetten einer situation mit dem erlebten.
er lernt sozusagen die aufregung, die im auspowern steckt, als fixen bestandteil mit –
für den ort des geschehens, für spielobjekte, für involvierte menschen – für alles mögliche.

die aufregung setzt dann automatisch schon ein, wenn er auf irgendeine element trifft,
das er mit dem auspowern verknüpft hat.

manchmal ist diese konditionierte aufregung harmlos –
wenn sich der hund über die raschelnde plastiktüte mit den leckerchen freut –
oftmals kann sie recht unangenehm werden –
wenn der hund im auto fiept und bellt, wenn’s in richtung hundewiese geht
oder wenn er kinder mit stöckchen in der hand stürmisch anspringt.

mal ganz abgesehen davon, dass auch die konditionierte aufregung vom hund als echt erlebt wird und zu seinem stresspegel beiträgt.

3. körperliche überlastung

kommen wir am schluss noch zu einem aspekt des auspowerns,
der oft gar nicht so auffällt:

was sie nämlich mit dem hundekörper macht.

die allermeisten formen des auspowerns gehen mit schnellen, oft ruckartigen bewegungen einher
(schnelle starts dem ball hinterher, sprünge, rennen mit hakenschlagen und verrenkungen….)
oder aber mit lang andauernder gleichförmiger körperlicher belastung
(laufen neben dem rad, alle formen von zug-arbeit,….).

das führt sehr schnell zur körperlichen überlastung,
insbesondere im bewegungsapparat.

während man muskelzerrungen oder verletzungen gleich mitkriegt (hoffentlich jedenfalls!),
bleiben die langzeitfolgen unbemerkt – sind aber wesentlich ernsthafter.

abgenutzte gelenksknorpel, eingerissene muskelfasern, überlastete bänder und chronische muskelverspannungen sind die häufigsten folgen.
es heißt dann, dass es „alterserscheinungen“ des hundes wären.
natürlich spielt das alter dabei eine rolle – eben weil jahrelange intensive überlastung zu folgeschäden führt.
(man braucht nur mal spitzensportler so 10 jahre nach ihrer aktiven zeit fragen!)

verschlimmert wird das noch dadurch, dass es in der regel kein vernünftiges aufwärmen und abkühlen für den hund gibt.
nein, der rennt bei der haustür raus oder steigt aus dem auto und schon fliegt das stückchen,
er läuft ohne entsprechendes aufbautraining hin und wieder mal ne stunde neben dem rad her,
oder steht grad aus seinem körbchen auf und schon wird wild gezergelt
(und seine hals- und schultermuskulatur soll heftiges rucken verkraften).
und so weiter…

wer seinen hund lange jahre fit und schmerzfrei halten möchte,
tut gut daran, das bleiben zu lassen.

vernünftige auslastung

„auspowern“ ist also die falsche strategie.

wer sich mit hunden wirklich auskennt, weiß,
dass sie neben ihren spaziergängen zwei dinge brauchen:

viel ruhe.
(nein, sie langweilen sich nicht, wenn sie 18 oder 19 stunden des tages einfach schlafen,
wir müssen da kein schlechtes gewissen haben, im gegenteil!)

und echte auslastung.
das ist jene, wo sie im kopf gefordert werden, neues erkunden und ausprobieren können
und ihre geistigen fähigkeiten auf angemessene weise zum einsatz kommen.
(passende kurse dazu findest du hier)

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.