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by brigid

Oktober 28, 2018

bissiger hund

wie kommt es, dass ein hund beißt?
glaubt man den medienberichten bei beißvorfällen, dann war das immer „plötzlich“ und „völlig unberechenbar“.
an die stelle des sanften kuschelmonsters tritt der mordende killerhund und schlägt seine zähne in den nächstbesten menschen.
(sag nicht ich, das ist das bild, das die der boulevard davon entwirft).

die frage nach dem warum stellt sich erst recht, wenn der hund den eigenen menschen beißt.
die meisten beissvorfälle passieren ja im privaten, also zuhause und gegen die eigenen menschen gewandt.

gibt es hunde, die einfach aggressiv und unzuverlässig sind?

natürlich nicht!

es mag den seltenen einzelfall geben, wo ein hund aufgrund einer ernsthaften erkrankung (die berühmte „cocker-wut“ oder grobe neurologische störungen) tatsächlich mal ohne größere vorwarnung zubeißt.

aber bei allen anderen hunden gibt es immer eine vorgeschichte.
immer!

es gibt immer eine vorgeschichte

hunde haben an sich ja eine ausgezeichnete beißhemmung.
das liegt in ihrer natur als soziale lebewesen.
wer in einer gruppe oder familie lebt und beim kleinsten streit immer gleich zubeißt, würde als spezies nicht lange überleben!
hunde haben daher ein ausgesprochen hohes ausmaß an friedensstiftenden und konfliktvermeidenden verhaltensweisen.

selbst die konflikte, die nicht ganz friedlich beigelegt werden können, tragen sie mit drohgebärden (zähnefletschen, knurren,….) oder scheingefechten (sogenannten „kommentkämpfen“) aus, die heftig aussehen, wo aber beide seiten drauf achten, sich nicht zu verletzen.

ihre zähne kommen (außer beim fressen) eigentlich nur dann zum einsatz, wenn sie
a) eine jagdbeute packen und erlegen
b) um ihr leben kämpfen und sich wehren müssen

es braucht also schon einiges, bis ein hund mal zuschnappt!
aus sicht des hundes gesehen jedenfalls.

die tragödie:  viele menschen merken gar nicht, wie sehr sich ihr hund  bedroht und gefährdet sieht, durch das, was sie tun.
für den menschen ist es halt eine frage von „sich durchsetzen“, „er hat eben zu parieren“ und ähnliches.

das heißt nun nicht, dass hunde keine grenzen und regeln respektieren lernen müssen.
es macht aber einen riesenunterschied, wie man ihnen die beibringt.
mehr dazu gibt’s im webinar „von grenzen und regeln“.
hier kannst du dich anmelden.

erst neulich wieder hat mir jemand erzählt, dass ihm sein trainer (in einer herkömmlichen hundeschule) erklärt hat, er solle den hund ruhig mal ordentlich anbrüllen und sich nicht wegen der anderen leute zurückhalten. der hund brauche das!
es gab mehr erziehungstipps von der sorte und gute ratschläge von nachbarn und familie, sie müssen eben dem hund – der manchmal probleme macht – „zeigen, wer der herr ist“.

nun, das größte problem, das sie inzwischen mit dem (sehr sensiblen) hund haben?
er hat schon mehrfach nach seinem herrchen geschnappt und ihn gebissen.

das traurige ist, dass die menschen ihren hund wirklich lieben, ihn keineswegs nur brutal erziehen, sondern viel über belohnung und mit spielen machen.  und natürlich tut es ihnen in der seele weh, dass ihr hund nach ihnen schnappt.

aber im zweifelsfall und auf anraten der trainer kamen dann doch härte und druck und ein herrischer tonfall.
und ja, ein- oder zweimal wurde dem hund auch eine übergezogen.

der hund hat daraus gelernt!
nämlich eine wesentliche lektion: ich muss mich wehren!

die lektion „ich muss mich wehren“

wenn ein hund sich bedrängt oder gefährdet fühlt, dann reagiert er erst mal mit flüchten oder ausweichen – wenn er kann.
geht das nicht, kommt als nächstes das gesamte register an beschwichtigungsverhalten zum zug
(das sind dann die hunde, die so „schuldbewusst“ aussehen und daher ja angeblich wissen, dass sie was falsch gemacht haben – tun sie nicht!).

bringt auch das nichts, schaltet der hund um auf drohgebärden:
er starrt einen an, er fletscht die zähne, er knurrt.
was leider oft zur folge hat, dass der mensch erst recht nachsetzt, weil er ihm das „nicht durchgehen lassen kann“.

wenn dann der hund noch weiter und stärker bedrängt und bedroht wird, dann geht er irgendwann über zur aktiven verteidigung – und schnappt mal ab.
je nach naturell und aktuellem stresspegel des hundes geht das mal schneller und mal weniger schnell.
aber wenn die bedrohung für den hund groß genug ist  – und zwar die von ihm so wahrgenommene! – kommt der punkt bei fast jedem hund.

gleichzeitig lernt er was!
genau das macht die sache nämlich so schlimm.

er lernt:
mir bleibt nur die abwehr,
nur das schnappen funktioniert,
alles andere hat nichts gebracht – und werde ich mir beim nächsten mal daher sparen!

dazu kommt, dass eine aggressive handlung im gehirn einen chemischen cocktail zur ausschüttung bringt, der stark selbstbelohnend wirkt und leicht süchtig machen kann.
der hund wird also beim nächsten mal schneller ins abwehrverhalten gehen.

weil er es so gelernt hat!
weil er gelernt hat, dass es wirkt.

abwehrverhalten ist gelerntes verhalten!

und weil er natürlich angst hat.
bedrängt und bedroht werden führt dazu, dass sich der hund fürchtet.
noch schlimmer ist es, wenn das vom eigenen menschen kommt und man sich dann genau vor dem menschen fürchten muss, bei dem man normalerweise in seiner angst eigentlich schutz suchen würde.
da ist der hund erst recht auf sich allein gestellt und hat das gefühl, sich selber seiner haut wehren zu müssen.

angst, vertrauensverlust und die erfahrung, dass nur zuschnappen wirkt, sind eine fatale mischung.

je öfter der hund solche erfahrungen macht, umso tiefer graben sie sich ein und umso schneller entsteht die verhaltensstrategie „im zweifelsfall schnell zuschnappen“.
der hund will es schließlich erst gar nicht so weit kommen lassen, dass er sich wieder so verängstigt und bedroht fühlt und wenn eben nur das zuschnappen hilft, dann macht er das schneller mal.

die menschen stehen dann da und sagen „plötzlich“ und aus „heiterem himmel“ habe der hund gebissen.

der himmel war schon lange nicht mehr heiter!
nicht für den hund!
und plötzlich war da auch nichts,
das hat sich oft über monate oder gar jahre aufgebaut.

schluss mit strafe und härte!

alleine deswegen schon, sollten manche erziehungsmethoden verpönt sein.
(vom tierwohl und eine netten beziehung zwischen hund und mensch mal ganz abgesehen).

strafe und härte haben in der hundeerziehung nichts verloren!

damit ist nicht nur gemeint, den hund nicht zu verprügeln.
das fängt schon viel früher an!

dazu zählen bereits
– aversive reize wie anspritzen, leinenruck, was nach dem hund werfen,
– laut werden, herrischer tonfall, anschnauzen
– drohende gebärden (erhobene hand,…), einschüchternde körperhaltung
– am halsband würgen, am nackenfell nehmen,  an der leine herumzerren
– herumschieben und wegdrücken, wegzerren oder runterschubsen,
– dem hund etwas mit gewalt wegnehmen
… um jetzt nur ein paar der häufigsten zu nennen.

gewaltfreie hundeerziehung ist (auch) bissprävention!

wenn man vom hund will, dass er freundlich ist und menschen und anderen lebewesen gewaltfrei begegnet,
dann muss auch die hundeerziehung freundlich und gewaltfrei sein!

leider nennt sich heute schon fast jeder „gewaltfrei“ und ist es deswegen noch lange nicht.
genau hinschauen lohnt sich also.

oder sagen wir mal so: wenn ein trainer die verwendung von leckerchen ablehnt, positive bestärkung und konditionierung als unnatürlich abtut oder andere als „wattebäuschenwerfer“ bezeichnet, dann kannst du dir ziemlich sicher sein, dass dort nicht gewaltfrei gearbeitet wird.
also finger weg!

jeder hund hat das recht, ohne angst und ohne bedrängung leben zu können.
dann hat er auch keinen grund mehr, sich verteidigen und gar beißen zu  müssen.

 

 

 

 

 

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.