verhaltensunterdrückung macht in manchen situationen absolut sinn
(sonst gäbe es sie ja nicht).
wenn man in eine neue und potentiell gefährliche situation kommt,
ist man gut beraten, es mal vorsichtig und zurückhaltend anzugehen.
anders formuliert:
zwei meter vor der klapperschlange sollte auch ein begnadeter salsa-tänzer besser nicht zu tanzen anfangen.
in solchen momenten nimmt man sich zurück,
man lebt sein normales verhalten nicht ungebremst aus,
sondern tut mal möglichst wenig.
zumindest solange, bis die lage sich wieder entspannt oder als ungefährlich herausgestellt hat.
zurückhaltung im neuland
beim hund ist das klassische beispiel für verhaltensunterdrückung im anblick vom neuen bekannt:
man holt einen hund aus dem tierheim
und die ersten zwei oder drei wochen ist man überzeugt, das große los gezogen zu haben.
so brav ist der! so unproblematisch.
das große los kann man durchaus gezogen haben,
in der regel aber taut der hund nach den ersten paar wochen auf
und dann erst kommt sein eigentliches verhalten ans tageslicht.
die verhaltensunterdrückung angesichts der überwältigenden fülle an neuem beim einzug ist vorbei.
allmälich gewinnt der hund sicherheit
und traut sich nun, aus sich heraus zu gehen.
da kann sich schon mal rausstellen,
dass der hund gar nicht so „brav“ ist,
sondern schlicht sein naturell und die eine oder andere macke noch nicht ganz gezeigt hatte.
was also zu beginn nach einem braven und ruhigen hund ausgesehen hatte,
ist im wesentlichen der verhaltensunterdrückung geschuldet.
aber keine sorge: es ist immer ein gutes zeichen,
wenn der hund aus dem tierschutz nicht mehr ganz so „brav“ ist.
denn es zeigt, dass er vertrauen und sicherheit entwickelt.
was wir ja wollen.
einen weniger ausgeprägten, aber ähnlichen effekt gibt es übrigens auch bei hunden,
die in unbekannten gegenden viel aufmerksamer und ruhiger sind
als im eigenen „revier“, wo sie andere hunde schnell mal verbellen.
in der regel hat das nicht viel mit territorialverhalten
(das sowieso meist missverstanden wird, wie hier nachzulesen ist) zu tun,
sondern ist ebenfalls eine gelinde form von verhaltensunterdrückung.
verhaltensunterdrückung nach strafe
wesentlich gefährlicher sind die folgen der verhaltensunterdrückung aber in einem anderen kontext:
wenn der hund für irgendein unerwünschtes verhalten mit schimpfen, leinenruck, körpersprachlichem druck
oder gar mit heftigeren mitteln bestraft wurde,
dann führt das nämlich ebenfalls im ersten moment zur verhaltensunterdrückung.
wir kennen das alle aus eigener erfahrung:
wenn man zu schnell gefahren und in eine radarfalle geraten ist, was tut man dann?
genau: man bremst sich ein.
rational gesehen ist das vollkommen unlogisch.
logisch wäre es, auf dem gaspedal zu bleiben,
weil gleich nach der radarfalle garantiert keine zweite steht.
aber nein, wir alle fahren langsamer –
meist deutlich langsamer als erlaubt wäre.
erst nach einiger zeit trauen wir uns wieder, gas zu geben
und fahren dann gern mal wieder zu schnell.
gelernt haben wir nämlich höchstens eines: wo die radarfalle steht.
nicht aber, in hinkunft nur noch erlaubtes tempo zu fahren.
ganz genauso macht es der hund:
wird er für irgendwas bestraft, setzt als erstes die verhaltensunterdrückung ein.
er macht sozusagen mal langsam oder möglichst wenig.
bis er dann feststellt, die lage hat sich wieder entspannt
und zu seinem ursprünglichen verhalten zurückkehrt.
soweit wär das ganze ja nicht so schlimm
(wenn wir mal davon absehen, dass strafe in der hundeerziehung nichts verloren hat),
wäre da nicht die fatale nebenwirkung:
die verhaltensunterdrückung des hundes führt nämlich beim menschen zu einem gefährlichen trugschluss.
er denkt nun nämlich, der hund habe verstanden, dass er was falsch gemacht hat,
weil er damit ja aufhört!
nur hört er in wirklichkeit gar nicht auf,
er hat dieses verhalten nur kurz unterdrückt,
und macht danach weiter damit.
weil er eben nicht verstanden hat, dass es verkehrt ist,
und schon gar nicht weiß, was er denn richtigerweise tun sollte.
deswegen hört man so oft das argument „aber wenn ich mal einen brüller mache, gibt er ruhe“
oder den satz „ein lautes pfui reicht und er hört auf“.
ja klar, hört der hund erst mal auf oder verhält sich ruhig.
weil die verhaltensunterdrückung grad zuschlägt.
nur leider lernt der hund dabei nichts.
meist versteht er nicht mal, warum sein mensch plötzlich laut wird.
das einzige, was er abspeichert: manchmal zuckt mein mensch aus
und wird unangenehm.
und das beeinträchtigt die beziehung zwischen hund und mensch.
wer möchte, dass sein hund nicht nur kurzfristig aufgrund der verhaltensunterdrückung was bleiben lässt,
der sollte lieber darauf setzen, dass der hund auch wirklich was lernt.
was besser wirkt als ein „aus“ oder „pfui“, das wird in diesem video hier erklärt
(am besten gleich meinen youtube-kanal abonnieren 🙂 ):