die rassebeschreibung ist eine der ersten quellen, bei der man information über hunde sucht.
egal, ob man vor der anschaffung steht, einen hund einer bestimmten rasse hat oder mehr über seinen mischling und sein (vermutliches) erbe herausfinden möchte.
doch wie aussagekräftig sind die rassebeschreibungen wirklich?
liest man in ihnen, dann steht nirgends dinge wie:
– achtung, neigt zu aufmerksamkeitsheischendem verhalten
– verträgt sich nur bedingt mit anderen hunden
– kann schnell zum angstbeißer werden
oder ähnliches, was im alltag aber nur zu oft vorkommt.
in der rassebeschreibung ist die welt heil und der hund eine sammlung positiver eigenschaften.
wobei: so wirklich viel steht da über seine eigenschaften ohnehin nicht.
das aussehen und die entstehungsgeschichte nehmen in der regel mehr platz ein.
was fangen wir also an mit rassebeschreibungen?
1. rassen sind menschengemacht
eingangs sei mal das wichtigste als erstes festgehalten:
am anfang gab es keine rassen.
es gab hunde.
sie sahen regional vielleicht ein wenig anders aus,
hatten aber alle ihr hundeverhalten und hundeeigenschaften.
weil dem menschen die eine eigenschaft nützlicher erschien als die andere
oder ein bestimmter hundetyp ihm besonders gefiel,
griff der mensch allmählich in die fortpflanzung der hunde ein
und lenkte sie in richtung der vom menschen gewünschten merkmale.
so erst entstanden die verschiedenen hunderassen.
die uns heute bekannten und gängigen rassen wurden im wesentlichen alle in den letzten 200 jahren gezüchtet.
derzeit erleben wir gerade eine neue welle der züchterischen veränderung durch die immer beliebter werdenden kreuzungen und das züchten von labradoodles, maltipoos und wie sie alle heißen.
die meiste information über eine bestimmte rasse verrät uns ihr ursprünglicher bestimmungszweck.
denn vor allem anfangs stand nicht das aussehen im mittelpunkt, sondern die verwendung:
der hund sollte mit auf die jagd oder haus und hof bewachen oder ratten töten oder schafe hüten oder was sonst noch.
vermehrt wurden die hunde, die das gut machten.
das aussehen kam irgendwann später als kriterium für die zucht dazu.
2. unterschiede innerhalb der rasse
das erklärt auch, warum es oft innerhalb der selben rasse große unterschiede geben kann.
wird auf eine ganz bestimmte eigenschaft hingezüchtet – zum beispiel eine seltene farbe –
dann nimmt man jeden hund, der diese farbe vererbt, in die zucht, ungeachtet seiner anderen eigenschaften.
das kann sich negativ auswirken: weil zum beispiel vermehrt erbkrankheiten auftreten.
das kann aber auch positiv sein: wer sagt schon, dass alle jagdhunde oder alle schäferhunde den selben charaktermix haben müssen,
solange sie ihren job gut machen?
es bedeutet aber auch, dass rassebeschreibungen nur bedingt wiedergeben,
welchen charakter und welche eigenschaften ein hund dieser rasse haben wird.
mitunter treffen wir sogar auf hunde, die sich von rassekollegen mehr unterscheiden
als von so manchem anderen hund einer anderen rasse/mischung.
da kann ein labrador schon mal mehr mit dem schäfermischling von nebenan gemein haben als mit einem labrador einer anderen zuchtlinie.
3. vom welpentest zum erwachsenen hund
eine maßgebliche rolle bei der entwicklund des verhaltens
sowie bei der ausprägung des wesens (in bestimmten grenzen)
hat sowieso der mensch.
die genetik ist ja nur der eine teil der gleichung,
das was der hund von seiner umwelt – nämlich anfangs mutterhündin und wurf,
dann aber vor allem in seinem neuen zuhause und mit den menschen dort – erlernt,
prägt ihn mindestens so stark, wenn nicht mehr.
das belegt auch eine studie, in der die welpen eines wurfes nach ihrem wesen beurteilt
und ein jahr später nochmal einer wesensbeurteilung unterzogen wurden.
auf keinen der welpen traf ein jahr später noch zu, dass sie entweder ängstlich oder stürmisch,
zurückgezogen oder fordernd oder ähnliches waren.
alle hatten sich anders entwickelt, weil keiner in der selben familie und unter den selben bedingugnen aufwuchs.
4. zuchtziele und wünsche
rassebeschreibungen können also gar nicht wirklich wiedergeben, wie ein hund sich entwickeln wird. ‚
vielmehr schreiben sie fest, wie man sich die rasse wünscht.
nämlich einerseits seitens der rasseverbände und züchter, die ein zuchtziel definieren
(häufig genug bezogen aufs aussehen)
und andererseits bezogen auf die künftigen hundehalter und deren wünsche.
so gesehen muss man vieles, was in rassebeschreibungen über das wesen der hunde steht,
eher unter wunschvorstellung oder marketing einordnen
und darf es nicht als objektive information nehmen.
nicht zu vergessen: das eine oder andere wird auch (unbewusst oder bewusst) geschönt wiedergegeben.
5. übersetzungshilfen
rassebeschreibungen muss man ein wenig wie immoblien-anzeigen lesen.
jeder weiß, dass ein als „bastlerhit“ angepriesenes haus eine bruchbude ist
oder dass „idyllische lage“ für null infrastruktur steht.
der makler versucht halt alles irgendwie positiv klingen zu lassen.
bei rassebeschreibungen ist es nicht viel anders,
nur nicht so offenkundig oder so breit bekannt.
daher folgen hier nun ein paar „übersetzungshilfen“:
- „aktiv, bewegungsfreudig“:
in praktisch jeder rassebeschreibung findet sich irgendeine formulierung wie arbeitsfreudig, aktiv oder ähnliches.
welcher normale junge oder erwachsene hund ist das auch nicht?
übersetzt heißt das erstmal ganz banal: man muss mit dem hund spazierengehen.entscheidend ist dann eher, was sonst noch dabei steht (siehe unten), damit man weiß, ob der hund mit spaziergängen und normalem erziehungsprogramm genug hat, ob er zusätzliche aufgaben oder geistige auslastung braucht oder ob es dafür steht, dass er besonders stressanfällig ist. - „treu, anhänglich“:
treu ist als wesensmerkmal etwas merkwürdig, weil es auf die beziehung zwischen und und mensch abstellt und sich die ja nun wirklich von der rasse unabhängig entwickelt. es ist wohl eher ein relikt von früher, wo man manchen das prädikat treu mit bestimmten rassen einherging, wie der „treue schäferhund“. anhänglichkeit geht in eine ähnliche richtung, kann aber auch für ganz was anderes stehen.übersetzt heißt das jedenfalls, dass dieser hundetyp menschenbezogen ist. es kann auch bedeuten, dass die anhänglichkeit aufgrund einer tendenz zu unsicherheit, ängstlichkeit und daher übermäßiger bezogenheit an den menschen steht. „anhänglich“ klingt nur nach einer automatisch vorhandenen beziehung zwischen mensch und hund, kann aber in der negativen ausprägung so weit gehen, dass der hund nicht alleine bleiben kann oder sich schnell ängstigt. - „sensibel, aufmerksam“:
manche hunderassen werden als besonders sensibel oder sogar besonders aufmerksam beschrieben. das stimmt in der regel auch, heißt allerdings nicht, dass nicht andere rassen ebenso sensibel sein können – nur dass die es anders zeigen oder schneller mal „dicht“ machen, wenn ihnen was zu viel wird. dann gelten sie nicht als sensibel, sondern schnell mal als stur.übersetzt heißt die hohe sensibilität und die höhere bereitschaft zur „aufmerksamkeit“ vor allem, dass der hund eine niedrige reizschwelle hat und viel schneller als andere etwas als überreizung und stress empfindet – inklusive den eigenen menschen, dem er seinen stress oder seine stimmungsschwankungen gnadenlos spiegelt.
- „unerschrocken, mutig“:
das „herz eines löwen“ wird manchen hunderassen nachgesagt – insbesondere kleineren, von denen man sich die unerschrockenheit nicht automatisch erwarten würde. beim chihuahua oder beim terrier liest man die formulierung zum beispiel oft.übersetzt heißt dass, dass diese hundetypen schneller mal reaktiv werden und im zweifelsfall nach vorn und zum angriff übergehen. ob der nur aus in die leine springen und bellen oder tatsächlich aus hinschnappen oder mehr besteht, kommt dann darauf an. jedenfalls sind es eher keine hunde, die sich immer alles gefallen lassen und ihr heil immer nur in der beschwichtigung suchen. das bedeutet natürlich nicht, die hunde kein völlig normales sozialverhalten an den tag legen können, sondern nur, dass sie auf überforderung tendenziell offensiv reagieren. und das macht es keinem beteiligten leichter.
- „klug, pfiffig, intelligent“:
bei so mancher hunderasse steht dabei, die hunde wären besonders schlau oder sehr intelligent. manchmal sind damit jene gemeint, die rasch lernen und deren erziehung dem menschen daher leichter fällt, ein anderes mal haben diese hunde tatsächlich noch mehr intelligenz als hunde ohnehin schon haben.übersetzt heißt das allerdings, dass ihre erziehung dem menschen gar nicht so leicht fällt. denn mit der intelligenz des hundes muss man ja nicht nur mithalten, sondern ihr immer mindestens einen schritt voraus sein, damit das ganze sich in geordneten bahnen entfalten kann und der schlaue hund den menschen nicht austrickst. die schlauen kommen auch viel schneller drauf, wie man türen öffent, wo man den garten verlassen kann, mit welchen macken man aufmerksamkeit erzwingt und so weiter.
unterm strich…
unterm strich bleibt, dass rassebeschreibungen nur sehr bedingt als information über charaktereigenschaften und das wesen des hundes taugen.
wer darüber etwas wissen möchte, fragt sich besser:
– wofür wurde dieser hund ursprünglich gezüchtet und wie lange ist das her?
– wie verhält sich die mutterhündin und welche eigenschaften haben geschwister aus vorangegangenen würfen
bei hunden, die man bereits bei sich hat und bei mischlingen, ist sowieso die beste frage:
– wie verhält sich dieser hund in welcher situation und wieso?
denn das individuum zu verstehen ist immer noch wichtiger als jede rassebeschreibung.