wir stellen es uns so idyllisch vor – und so logisch.
was liegt auch näher, als dass der hund bei unsereins schutz suchen kommt,
wenn ihn etwas ängstigt oder überfordert?
die realität sieht nur allzuoft anders aus.
statt beim menschen schutz und hilfe zu suchen,
springt der hund bellend und abwehrbereit in die leine und „kümmert sich selber drum“.
oder er sucht verängstigt das weite und lässt auch den eigenen menschen kaum mehr an sich ran.
was ist da los?
nun, das sind leider recht normale prozesse.
sie beruhen auf missverständnissen und kleinigkeiten, die zwischen hund und mensch schief gehen.
hier sind die drei häufigsten ursachen.
1. missverständnisse
der hund orientiert sich viel mehr an seinem menschen, als uns oft bewusst ist.
unter „orientierung“ verstehen wir normalerweise, dass der hund bei uns nachfragt,
dass er auf ein signal oder eine hilfestellung von uns wartet
und dann das macht, was wir da vorgeschlagen haben.
das klappt aber nur, wenn die kommunikation wirklich klappt.
auch die nonverbale.
denn in allererster linie orientiert sich der hund nicht an unseren signalen,
sondern zuerst mal an unserer körpersprache,
unserer anspannung oder entspannung, unseren pheromonen und unseren unwillkürlichen regungen.
wenn wir uns beim anblick eines entgegenkommenden hundes verkrampfen,
die luft anhalten und die leine straff nehmen, geben wir dem hund eine klare botschaft:
„es wird gefährlich, also attacke“
was der dann auch brav macht.
unsere reaktionen darauf missversteht er als bestätigung für seine pöbelei.
nicht immer ist das so eklatant und drastisch wie in diesem beispiel.
es kann auch sein, dass der hund das verhalten des menschen als druck empfindet
und sich daher noch mehr ängstigt und dem menschen lieber ausweicht,
als bei ihm hilfe zu suchen.
natürlich nicht, weil der mensch ihn absichtlich unter druck setzen wollte,
sondern weil er kleinigkeiten seiner körpersprache oder seiner stimme nicht unter kontrolle hatte.
es sind diese kleinen, dem menschen unbewussten, missverständnisse und kommunikationsprobleme,
die zu vertrauensverlust führen und die unsicherheit des hundes noch vergrößern.
genauer beschäftigen wir uns mit diesem thema demnächst im neuen webinar „feinheiten der verständigung“.
2. führungsfehler
schutz sucht der hund klarerweise nur dort, wo er ihn auch finden kann.
und ganz sicher nicht bei demjenigen, der ihn (immer wieder) erst in „gefahr“ bringt.
wenn wir mit dem hund unterwegs sind und entweder nicht mitbekommen,
dass er sich mit einer situation oder begegnung unwohl fühlt,
oder gar der meinung sind: „das geht jetzt nicht anders, da muss er eben durch.“
dann dürfen wir uns nicht wundern,
wenn der hund sein heil in flucht oder angriff sucht, nicht aber bei unsereins.
je öfter wir den hund in die überforderung oder als bedrohlich wahrgenommene situationen führen,
desto weniger wird er uns zutrauen, für seine sicherheit garantieren zu können.
wie auch!
wir beweisen ihm ja regelmäßig, dass wir nicht mitbekommen,
wann etwas für ihn ungemütlich wird
und ihn stattdessen schnurstracks auf die bedrohung zuführen.
da hilft nur: umsichtiger unterwegs sein,
die welt aus hundeperspektive wahrnehmen
und darauf eingehen, was der hund braucht.
wenn das 100 meter abstand zum nachbarshund ist
oder ein großer bogen um die baumaschine herum
dann ist das eben so.
nur wenn wir den hund so durch den alltag führen,
dass er sich mit uns sicher fühlt,
können wir erwarten, dass er bei uns auch schutz sucht.
3. panik
damit der hund schutz suchen kann, muss er noch in der lage sein,
halbwegs überlegt vorzugehen.
wenn also eine bedrohung auftaucht,
muss er noch überlegen können, wie er damit umgeht
oder beschließen können, jetzt die nähe seines menschen zum schutz aufzusuchen.
diese überlegungen sind im zustand der panik nicht mehr möglich.
bei heftigem erschrecken und panikartigen zuständen setzt das bewusste denken völlig aus.
der hund reagiert nur noch blindlings aus der emotion heraus, also aus der übergroßen angst.
verstärkt wird das noch durch einen enormen schub an stresshormonen,
die mit der flucht- oder kampfreaktion bei gefahr einhergehen
und die das logische denken noch zusätzlich unterdrücken.
in der panik rennt der hund einfach los, nichts wie weg.
wohin er rennt, kriegt er nicht mehr mit.
das macht panikreaktionen bei angsthunden so gefährlich:
sie bekommen nicht mehr mit, was sie tun und wo sie sind.
selbst wenn die panik selber abklingt, bleibt der hohe stresspegel
und macht den hund weiter schreckhaft und verwirrt.
ein anderes verhalten in der panik lässt sich nicht trainieren.
man kann nur den hund, bei dem eine panikreaktion nicht ausgeschlossen werden kann, entsprechend sichern.
natürlich kann man mit vertrauensaufbau zum menschen, mit der stärkung seines selbstvertrauens und allgemeinem stressabbau viel an verbesserung erreichen.
so weit, dass er seinen schutz beim menschen sucht – aber nur solange, keine panik einsetzt.
dank des bindungsverhaltens wäre es normal,
dass der hund bei verunsicherung oder gefahr die nähe seines menschen und schutz bei ihm sucht.
macht er das nicht, muss man sich fragen, was schief gelaufen ist.
ist es keiner der drei oben genannten gründe, liegt vermutlich eine störung in der beziehung vor.
die müsste man dann individuell analysieren, um sie beheben zu können.