erwartungen spielen eine große rolle bei der erziehung des hundes.
und zwar nicht nur die erwartungen des hundes!
die erwartungshaltung des menschen spielt eine genauso große rolle.
welche bilder landläufig die hundeerziehung prägen,
die erfahrungen, die man selber mit dem hund gemacht hat
und die hoffnungen oder befürchtungen, die man beim üben oder im alltag hat,
beeinflussen maßgeblich was der hund tut und lernt.
beispiel leinentraining
das beste beispiel ist das leinentraining.
da stolpern wir gleich über zwei vorstellungen.
einerseits haben wir die erwartung, dass der hund nach den ersten paar übungen jederzeit schön an der leine läuft.
solange er das tut, kümmern wir uns auch nicht weiter drum.
bis der hund zu ziehen beginnt.
doch auch darum kümmern wir uns erst nicht.
denn die zweite erwartungshaltung ist: ziehen ist normal.
das machen hunde eben so.
und wir laufen schön an gespannter leine hinter dem hund her.
bis der hund zu heftig zieht, es anstrengend oder nervig wird
oder wir sorge haben, dass wir ihn mal nicht mehr halten können.
ab dann ist die erwartungshaltung:
wir verlieren die kontrolle.
er könnte sich losreißen.
oder ähnliches…
was uns erst recht zu einer verkehrten, aber zutiefst menschlichen reaktion veranlasst.
mehr dazu im webinar zum leinentraining.
wie anders würde das ablaufen, wenn wir davon ausgehen würden,
dass der hund selbstverständlich an lockerer leine laufen kann
und wir ihm nur vermitteln müssen, dass wir genau das wollen?
entscheidend ist dabei das bild im kopf.
ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich es schon erlebt habe,
dass der hund bei frauchen oder herrchen zieht (trotz richtigem ansatz im leinentraining),
bei mir an lockerer leine läuft
und 5 minuten später auch frauchen oder herrchen mit ihm an lockerer leine gehen können.
schlicht, weil sie plötzlich ein bild davon haben, dass ihr hund das kann
und dann das training selber auch besser umsetzen können.
natürlich sind die bilder in unserem kopf von unseren erwartungen geprägt.
wenn man bisher nur zerren an der leine kennengelernt hat, ist es klarerweise schwer,
sich den hund anders vorzustellen.
man sollte aber nicht in den erfahrungen hängenbleiben,
sondern sie laufend aktualisieren oder bewusst gegensteuern.
beispiel angsthund
nirgendwo erweist sich das als wichtiger als bei ängstlichen hunden.
übernimmt man einen angsthund, dann ist für ihn der anfang besonders schwer,
weil der stress der übersiedelung seine angst noch viel größer macht,
weil er in seiner neuen welt nichts kennt und auch zu seinen neuen menschen keine enge verbindung hat.
doch das ändert sich in der regel in den ersten monaten rasch.
der hund lebt sich ein, fasst vertrauen und wird sicherer.
sie gewinnen selbstvertrauen, wenn man sie richtig unterstützt
und können nun deutlich anders mit jenen situationen umgehen,
die anfangs noch schwierig oder gar unmöglich waren.
eines vorausgesetzt: ihr mensch lässt sie.
nun wird niemand seinen hund absichtlich daran hindern, sicherer zu werden.
doch wenn man weiterhin den verängstigten hund der ersten tage vor seinem inneren auge hat
und sich bemüht, dem nur alles zu ersparen, was ihn verunsichern könnte
(was anfangs goldrichtig ist),
dann übersieht man leicht, wie gut sich der hund schon entwickelt hat
und dass er gar nicht mehr so von allem abgeschottet werden muss.
mehr noch:
wenn der mensch selber mit unsicherheit auf die dinge reagiert,
die den hund früher stark geängstigt haben,
wird der nie so ganz aus seiner angst rausfinden.
schließlich signalisiert ihm sein mensch ja dauernd, dass die angst gerechtfertigt ist.
gerade bei ängstlichen hunden ist fingerspitzengefühl gefragt:
natürlich brauchen sie schutz vor überforderung und rückhalt,
sie brauchen aber auch die chance sich zu entwicklen und neugewonnene sicherheit erproben zu können.
daher gilt für den menschen:
sich nicht von den eigenen vorstellungen, wie der hund früher war oder gleich reagieren wird,
die sicht darauf verstellen lassen, wie der hund sich bereits entwickelt hat.
beispiel begegnungen
wie der hund gleich reagieren wird, hängt nämlich bei allen hunden immer auch davon ab,
was der mensch erwartet oder befürchtet.
natürlich ist das nur ein faktor von mehreren, aber ein nicht unwesentlicher!
schauen wir uns nur mal aufregende begegnungen an.
wenn der hund bei begegnungen mit anderen hunden oder radfahrern schon mal an der leine pöbelt,
gibt es immer vorher einen kipp-punkt:
bleibt er noch cool oder geht es gleich los?
wie sich der hund entscheidet, ist von mehreren faktoren abhängig:
zum beispiel vom abstand, vom verhalten des gegenüber, vom stresspegel.
aber eben auch von der erwartung des eigenen menschen.
denkt der nämlich: oje, jetzt geht die pöbelei gleich los.
oder reagiert er noch vorher auf den anblick von hund oder radfahrer mit einem genervten „nicht die schon wieder“,
ist das oft wie das drücken des startknopfs beim hund.
kaum gedacht, wirft der hund sich auch schon in die leine und bellt.
geht man hingegen mit einer entspannten „mein hund kriegt das schon hin“ einstellung in die situation
(und passen die anderen faktoren halbwegs),
wird man überrascht sein, dass der hund das tatsächlich schafft.
eins sei sicherheitshalber noch festgehalten:
man kann sich den hund nicht „brav denken“.
es reicht also nicht, sich zum leinenpöbelnden oder ängstlichen oder überdrehten hund ein paar schöne bilder im kopf zu machen
und dann läuft alles wie am schnürchen.
um die erziehung kommt man nicht herum.
man kann sich aber die erziehung durch verkehrte erwartungen deutlich schwerer machen
oder sie durch passende bilder im kopf einfacher gestalten.
es lohnt sich, letzteres mal auszuprobieren.