aufregung beim hund ist so ziemlich die größte ursache für die diversen probleme, die man mit dem hund im alltag oder seiner erziehung hat – und die er selber hat.
klar, dass wir uns daher bemühen, die aufregung in den griff zu kriegen.
wir rücken ihr mit unterschiedlichen methoden zu leibe:
mit mehr auslastung und auspowern (warum das nicht funktioniert, kannst du hier nachlesen)
mit mehr ruhe und schlaf für den hund (warum auch das nur bedingt klappt, ist hier nachzulesen)
mit übungen für die impulskontrolle (warum das meist wenig bringt, wird gleich hier erklärt)
die erfolge lassen aber auf sich warten.
meist ist es ein 2-schritt-vor-einer-zurück spiel, wenn nicht gar ein 1-schritt-vor-und-3-schritt-zurück.
frustrierend.
das ganze passiert natürlich nicht ganz zufällig.
aufregung ist nämlich nicht aufregung und auch nicht ganz so einfach, wie es auf den ersten blick erscheint.
die normale aufregung
auf körperlicher ebene ist aufregung nichts anderes als die vorbereitung auf mehr aktivität des körpers,
also ein anstieg des erregungspegels im hund, ausgelöst durch die ausschüttung der beiden stresshormone adrenalin und cortisol.
das ganze macht sinn, sonst hätte die natur das so nicht eingerichtet.
wer aus dem tiefschlaf oder dem dösen hochkommen muss,
um sich futter zu checken, das gelände zu sondieren und nach dem rechten zu sehen,
braucht einen kleinen anschub – nichts anderes ist der anstieg des erregungspegels.
kennen wir ja von uns selber auch.
ohne ein bisschen adrenalin kämen wir morgens nicht aus dem bett
und für echte höchstleistungen brauchen wir noch eine zusätzliche dosis davon.
solange der körper danach genug zeit hat, die stresshormone wieder abzubauen und auf einen normalen entspannungs-pegel zu kommen, ist alles gut.
leider ist genau das heute für sehr viele hunde (und menschen) kaum gegeben.
so steigert sich die normale aufregung allmählich zu einer übermäßigen aufregung.
die übermäßige aufregung
wenn sich über wochen oder monate stresshormone im körper angesammelt haben,
ist der konstante erregungspegel so hoch, dass kleinigkeiten reichen,
um den hund zum ausflippen und überdrehen zu bringen.
uns mag es zwar so erscheinen, als wäre die jeweilige situation das problem –
also zum beispiel hundebegegnungen mit gezerre und gebell
oder lautstarke reaktionen aufs türklingeln oder das hochspringen an fremden menschen –
das problem ist aber eigentlich der konstant hohe erregungspegel.
der fällt uns nur üblicherweise nicht so auf.
wir sind ja gewöhnt, dass der hund so ist, wie er ist
und der anstieg des erregungspegels verlief so schleichend,
dass er kaum zu bemerken war.
außerdem ist der hund im haus ja halbwegs entspannt.
dass er viel zu wenig schläft, ist uns vielleicht nicht bewusst oder es fällt in die kategorie „der ist halt aktiv“.
die folge: wir halten die konstant vorhandene, übermäßige erregung für normal.
wir haben nur mit dem akuten ausflippen in den kritischen momenten ein problem.
und dem versuchen wir dann, mit übungen für die impulskontrolle in diesem moment beizukommen.
da soll der hund dann brav bei fuss gehen statt den anderen hund anzupöbeln.
oder wir verbringen wochen mit deckentraining, damit der hund trotz besuch an der tür auf seinem platz bleibt.
nichts gegen die übungen an sich.
sie passen nur nicht zur übermäßigen aufregung.
das wäre so, als würde man einem menschen mit zwei gipsarmen versuchen, das klavier spielen beizubringen.
es geht einfach nicht. er kann beim besten willen aufgrund körperlicher ursachen nicht spielen.
so wie der chronisch gestresste hund im moment großer aufregung aus körperlichen gründen nicht ruhig bleiben kann.
er braucht erst mal ein anti-stress-programm (wie zum beispiel den „coolen hund“)
und vielleicht ist er dann ganz von selber wieder zu impulskontrolle und gelassenem verhalten imstande.
kompliziert wird das ganz dadurch,
dass der übermäßig aufgeregte hund mit seinem aufgedrehten verhalten ja erfahrungen macht und daraus lernt.
auch (oder gerade!) mit dem aufgeregten verhalten bekommt der hund häufig das, was er möchte:
zuwendung und aufmerksamkeit von seinem menschen, eine reaktion vom anderen hund oder menschen…
das alles belohnt dann das aufgeregte verhalten.
die gelernte aufregung
und der hund lernt.
er lernt, dass man an der leine zerrt und pöbelt, weil das den größten erfolg bringt.
er lernt, dass man fiept und belt, weil es dafür belohnung gibt.
er lernt, dass hochspringen und überdrehen dazugehört, weil es bestätigt wird.
er lernt: das gehört eben so.
nämlich aufgeregt.
schon haben wir einen hund, der in bestimmten situationen ordentlich aufdreht.
obwohl er sonst wirklich entspannt und gechillt ist.
das passiert entweder durch den ursprünglichen stress und die ungewollten belohnungseffekte,
die dazu führen, dass der hund die aufregung als programm für bestimmte alltagssituationen abspeichert.
oder aber es liegt daran, dass der hund nie wirklich impulskontrolle gelernt hat.
er ist dann wie ein ungeduldig forderndes kind,
das sich kreischend zu boden wirft, wenn es etwas will und nicht gleich bekommt.
das ist nun der moment, wo übungen zur impulskontrolle tatsächlich sinn machen.
solange man nicht den fehler macht, direkt die problemsituation anzusteuern –
also die momente, wo dem hund die impulskontrolle besonders schwer fällt,
vor allem, wenn er da sowieso eine unterentwickelte fähigkeit hat.
oder sagen wir so – um beim beispiel mit dem klavierspielen zu bleiben:
der hund kann nicht sofort ein klavierkonzert spielen,
man muss erst mal lernen, das klavier zu bedienen und seine finger zu sortieren.
die körperliche fähigkeit zum „klavierspielen“ (=impulskontrolle ausüben) hätte dieser hund,
er muss nur erst mal lernen, wie das überhaupt geht (zum beispiel mit dem kurs „impulskontrolle leicht gemacht“)
die fairness dem hund gegenüber gebietet es, nichts von ihm zu verlangen,
was er nicht leisten kann.
um ihn in die lage zu versetzen, muss man aber die beiden arten von aufregung – die übermäßige und die gelernte – auseinanderhalten, damit man dann den passenden trainingsansatz wählen kann.
alles andere bringt nichts außer frust für alle beteiligten und den ersparen wir uns lieber…