kaum etwas wird so oft und völlig zu unrecht in frage gestellt wie die bindung zwischen hund und mensch.
wenn irgendwas im training nicht läuft, wie es soll, ist (immer noch!) schnell mal die aussage
„der hat keine bindung zu dir“ zu hören.
ein fataler satz, der unzählige menschen kränkt und verunsichert.
und der vollkommen falsch ist.
natürlich kann die beziehung zwischen einem hund und seinem menschen von unterschiedlicher qualität sein
und vor allem in der phase der intensiven grunderziehung gibt es einiges an reibungspunkten.
(mehr dazu demnächst im neuen webinar „bist du mein freund – hundeerziehung im dilemma“, für das du dich gleich hier anmelden kannst (kostenlos):
das hat aber mit der bindung nichts zu tun!
nicht verwechseln bitte!
wir müssen da drei begriffe sauber auseinanderhalten:
bindung ist das vorhandensein einer unmittelbaren emotionalen verbindung zu einem bindungspartner,
wie soziale lebewesen sie spontan und unmittelbar bilden.
und zwar schnell und von anfang an, weil soziale bindung einem grundbedürfnis von hunden (wie menschen) darstellt.
in einem versuch in einem ungarischen tierheim wurde nachgewiesen,
dass hund ohne fixe bezugsperson schon nach 15 minuten eine bindung zu einem neuen menschen aufbauen.
also keine sorge, die bindung ist da!
erziehung ist die vermittlung von bestimmten grundregeln, die der hund (und der mensch) einzuhalten haben,
damit der gemeinsame alltag harmonisch läuft und das leben des hundes in der menschenwelt sich sicher gestalten kann.
es handelt sich dabei um lernaufgaben, die entsprechend den lernregeln ablaufen.
je besser der trainingsaufbau, desto besser das lernergebnis.
ob das leinegehen oder das „platz“ gut klappen, hat mit bindung genau nichts zu tun.
(ob ein kind seine eltern liebt, lässt sich auch nicht an seinen schulnoten ablesen).
beziehung schließlich ist die qualität des miteinanders von hund und mensch.
wie sie miteinander tun, wieviel spaß sie haben, wie sehr sie harmonieren,
wie einfühlsam und respektvoll der umgang miteinander ist etc.,
das alles ist eine frage der beziehung, die sich gestalten lässt und der veränderung unterliegt.
fast alle aussagen in richtung „der hat eine schlechte bindung“ beziehen sich auf fragen der erziehung,
selten wird auch auf die beziehung bezug genommen – und das unter falschen annahmen.
schauen wir uns doch die 5 häufigsten ursachen für den vorwurf „der hat keine bindung“ an:
1. mangelnde aufmerksamkeit
wir erwarten oft, dass der hund jederzeit aufmerksam ist, wenn wir das brauchen.
er muss uns nicht unbedingt an den lippen hängen,
er soll aber jederzeit ansprechbar sein
und am besten noch von sich aus dauernd schauen,
wo wir sind und ob wir gerade ein signal geben.
manche hunde machen das mehr, andere weniger.
an der bindung liegt das aber ganz und gar nicht.
viel mehr hängt das einerseits vom naturell des hundes ab,
andererseits davon, wie aufregend er alles andere um sich gerade erlebt.
je aufregender er etwas findet – und je aufgeregter er selber ist,
desto weniger aufmerksamkeit kann der hund aufbringen.
das entspricht schlicht den regeln, wie aufmerksamkeit verteilt wird.
in fast allen fällen, wo der hund zuwenig aufmerksamkeit für den menschen übrig hat,
liegt das am grad der aufregung und am stresspegel des hundes.
manchmal auch am fehlenden aufbau eines aufmerksamkeitssignals und funktionierender kommunikation.
2. wegrennen / nicht kommen
wenn der hund im freilauf abhaut oder aufs rufen nicht verlässlich kommt,
gilt das manchen als beweis für schlechte bindung.
was quatsch ist.
wie gut der rückruf funktioniert, ist ausschließlich trainingssache.
wie verlockend ein hund die umwelt findet (und ob er sich daher vom acker macht),
hat viel mit seiner jagdlust, seinen hormonen, seiner vorliebe für komposthaufen & co
oder seiner begeisterung über andere hunde zu tun,
nichts aber mit der bindung zu seinem menschen.
3. fehlende orientierung am menschen
schlechte bindung und mangelndes vertrauen werden gern auch als gründe genannt,
wenn der hund an der leine pöbelt,
wenn er andere an der leine verbellt
oder wenn er auch nur schlicht ganz normal an der leine zieht und zerrt.
dabei haben wir es wieder einerseits mit erziehungsfragen zu tun (leinenführigkeit),
mit dem grad der aufmerksamkeit und der frage, wie gelassen der hund bleiben kann.
wenn ihn eine situation überfordert,
weil er mit seiner unsicherheit bei begegnungen oder seinem frust an der leine nicht umgehen kann,
sagt das aber nichts über die bindung zu seinem menschen oder sein vertrauen aus.
es sagt nur etwas darüber aus, wie gut seine nerven sind,
wie sehr gelassenheit bereits trainiert wurde und oft er sich überfordert fühlt.
denn die orientierung am menschen ist in erster linie eine sache der erfahrung und der übung.
da ist der mensch gefordert, den hund umsichtig zu führen und ihm gelassene reaktionen zu ermöglichen.
die bindung ist davon unberührt.
4. zu viel distanz
die bindung wird gern auch am verhalten des hundes im freilauf festgemacht.
bleibt er in der nähe des menschen, bewegt er sich in einem geringen radius oder zieht er weite kreise?
die distanz sagt aber nur über zwei dinge was aus:
erstens darüber, wie eigenständig oder wie unsicher ein hund ist.
je unsicherer der hund, desto näher dran bleibt er am menschen.
je eigenständiger und sicherer er ist, desto weiter weg kann er sich auch entfernen
(wenn man in der erziehung nicht gegengesteuert hat).
zweitens sagt es doch etwas über die bindung aus, aber anders als gedacht.
entfernt sich der hund vom menschen und erkundet die umgebung auf eigene faust,
ist das nämlich ein zeichen für eine stabile und positive bindung.
sie gibt dem hund genügend sicherheit, sich der welt auf den eigenen vier beinen zu stellen.
nur wenn gefahr droht oder der hund verunsichert ist, sucht er wieder mehr nähe zu menschen
(solange er nicht in panik gerät, klarerweise).
also vorsicht: die nähe zum menschen kann auch ein zeichen von unsicherheit sein.
5. keine lust auf kuscheln
als ultimativer beweis für eine schlechte bindung wird es dann genommen,
wenn der hund nicht gerne kuschelt oder sich streicheln lässt.
wieder gänzlich falsch.
es gibt viele hunde, die gern kuscheln.
es gibt genauso viele hunde, denen große körperliche nähe schnell zu viel ist.
das ist eine frage des typs, des alters, des körperempfindens
und nicht zuletzt dessen, wie der mensch streichelt –
sanftes kraulen ist schließlich was anderes als festhalten und tüchtig durchknuddeln.
mal ganz abgesehen davon, dass es eine frage des zeitpunkts ist (wie bei unsereins auch).
entspannt am sofa kuscheln ist ungleich angenehmer, als mitten in einer aktivphase am kopf getätschelt zu werden.
während sich das kuscheln (aufgezwungen, angenehm oder kaum vorhanden) sehr wohl auf die beziehung auswirkt,
hat es mit der bindung selber nichts zu tun.
ein appell
zum schluss ein appell…
an alle trainer:innen: hört bitte mit dem unfug auf, den menschen vorwürfe wegen der „schlechten bindung“ zu machen.
an alle hundemenschen: lasst euch durch diesen vorwurf nicht verunsichern und wechselt am besten den trainer/die trainerin, wenn euch der satz entgegengehalten wird.