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by brigid

Oktober 6, 2024

assistenzhunde

assistenzhunde werden in immer mehr bereichen eingesetzt.
sie leisten unschätzbare hilfestellungen für ihre menschen
und das auf unterschiedlichste weise.

das kommt nicht von ungefähr.
studien haben längst schon nachgewiesen,
dass die bloße anwesenheit eines hundes sich positiv auf die gesundheit eines menschen auswirkt.
sie helfen, den blutdruck zu senken und stress abzubauen.

ist der hund gar der eigene und besteht eine enge beziehung zum hund,
so hat dieser auch eine emotional und psychisch stabilisierende funktion.

und dann erst die vielen dinge, die man dem hund beibringen und die er für den menschen ausführen kann!

er führt sehbehinderte sicher durch die stadt.
er bringt dem menschen im rollstuhl das läutende handy oder hebt gegenstände für ihn auf.
er warnt den diabetiker vor unterzucker und den epileptiker vor einem drohenden anfall.
er bringt chronisch kranken im ernstfall die notfalltasche oder betätigt eine notfalltaste.
er unterbricht bei menschen mit PTBS flashbacks oder selbstverletzendes verhalten.
und und und.

die liste ließe sich noch lange weiterführen.

das ist doch alles toll, oder?

…und der hund?

für den menschen ja.
doch für den hund?

hat schon mal jemand den blutdruck des hundes gemessen, der beim streicheln den blutdruck der menschen im wartezimmer senkt?
hat sich schon wer überlegt, welche auswirkungen das zusammenleben mit einem schwer traumatisierten auf dauer für den hund hat?
hat man schon untersucht, wie sich die dauernde einsatzbereitschaft von signalhunden auf ihre gesundheit auswirkt?
und überlegen wir uns genug, wieviel normales hundeverhalten diese hunde für ihren job dauerhaft unterdrücken müssen?

wir sind so geblendet davon, was die hunde alles tolles für den menschen leisten können
und welche bereicherung sie für körperlich oder psychisch eingeschränkte menschen  darstellen können,
dass wir viel zu selten die frage stellen: welchen preis zahlt der hund dafür?

da muss man nun genauer hinschauen.
denn nicht jedes einsatzgebiet, nicht jedes ausbildungssystem und nicht jede lebenslage eines assistenzhundes sind gleich schwierig.

es gibt menschen, die sich ganz wunderbar um ihre assistenzhunde kümmern und sich nach kräften bemühen,
ihnen ein hundegerechtes leben zu ermöglichen und ihnen nicht zu viel abzuverlangen.
es gibt aber auch andere…

wichtige faktoren sind jedenfalls:

einsatzdauer

bei menschlichem pflegepersonal gibt es ganz klare regeln:
die arbeitszeiten sind festgelegt,
es gibt urlaubsanspruch und krankenstand.
und allen ist klar, dass es eine sehr fordernde tätigkeit ist.

bei hunden in anderen einsatzgebieten (und bei seriösen organisationen) gibt es ebenfalls fixe regeln:
besuchshunde in schulen oder krankenhäusern zum beispiel sollen nicht öfter als ein oder maximal zweimal die woche in einsatz gehen,
und dann jeweils für maximal eine stunde.
es sind regelmäßige überprüfungen ihres gesundheit und ihrer verfassung vorgesehen
und die menschen werden darin unterrichtet, die belastung ihres hundes zu sehen und in grenzen zu halten.

nicht so beim assistenzhund, der mit seinem menschen lebt.
da liegt es einerseits ganz am menschen:
ob der den blindenführhund täglich mehrere stunden im geschirr und am arbeiten hat
oder ob jemand verantwortungsbewusst damit umgeht.

andererseits liegt es am einsatzgebiet.
jemand mit körperlicher einschränkung kann leichter steuern, wann und wo er den hund arbeiten lässt,
als jemand, der den hund ständig als signalhund (wegen epilepsie, PTBS oder ähnlichem) dabei hat.

fakt ist:
je mehr zeit der hund im einsatz ist (oder sich im einsatz fühlt!), desto belastender ist es.
je länger er für seine tätigkeit wach sein muss und/oder unterwegs ist mit dem menschen,
desto weniger chancen hat er, auf genug schlaf und erholung zu kommen.

psychische belastung

schwerer messbar, aber noch gravierender ist die psychische belastung des hundes.
vor allem dann, wenn er mit einer (aus krankheitsgründen) psychisch sehr instabilen person zusammenlebt,
die selber mit trauma-folgen, panik-attacken oder angststörungen zu kämpfen hat.

es ist ja nicht so, dass der hund sich davon distanzieren könnte (wie menschliches pflegepersonal).
ganz im gegenteil.
er übernimmt stimmungen und emotionen und bezieht das verhaltens seiner bezugsperson unweigerlich auf sich.
das kann die umsichtigste bezugsperson nicht vermeiden.

nun werden gerade für den einsatz als signalhund für menschen mit schweren psychischen erkrankungen
häufig besonders sensible hunde gesucht.
die sollen ja so früh wie möglich merken, dass sich da was zusammenbraut
und dann zum beispiel ihren menschen an einen sicheren ort geleiten.

oder sie sollen durch körperkontakt (sich zum beispiel auf die oberschenkel des menschen legen)
zur stabilisierung beitragen.

wie kommt aber ein besonders sensibler hund mit 24/7 anspannung zurecht?
wie geht es ihm, wenn er sich in der krise nicht zurückziehen kann,
sondern sogar noch in den körperkontakt mit dem menschen gehen soll?
wie lebt er mit einem menschen, der vielleicht tagelang die wohnung nicht verlassen kann?

das wirft auch gleich noch eine andere frage auf, die des ausgleichs.

ausgleich

selbst der beste und robusteste assistenzhund ist immer noch ein ganz normaler hund.
er braucht tägliche spaziergänge und bewegung,
er braucht als ausgleich für die harte arbeit entspanntes schnüffeln und erholung über geistige auslastung.
nicht zu vergessen: er braucht 18 bis 20 stunden schlaf und ruhe, wie alle anderen auch
(vermutlich sogar noch mehr).

nun ist die frage, wie gut der mensch das für seinen assistenzhund hinbekommt oder organisieren kann.
und zwar jeden tag des jahres, nicht nur, wenn es einem gut geht oder wenn jemand anderer gerade zeit hat.

grade der assistenzhund braucht als ausgleich seine pausen, seine beschäftigung, seine erholung.
sonst packt er seinen harten job nicht.

das schwierige ist nun, dass manche menschen, die einen assistenzhund brauchen, genau das oft nicht selber bieten können
und niemanden haben, der das übernehmen könnte.
auf der strecke bleibt dann der hund.

fazit

wie immer gibt es solche und solche.
es gibt fälle, wo assistenzhunde ein gutes leben haben und ihrem menschen (zeitlich beschränkt) das leben erleichtern.

viel zu oft aber profitiert zwar der mensch von der unglaublichen einfühlsamkeit des hundes und seinen leistungen,
der hund selber aber zahlt einen hohen preis dafür.

und dass still.
er selber protestiert nicht.
und solange wir menschen nicht ganz genau hinschauen, ändert sich daran nichts.

also bitte hinschauen!

die frage sollte nicht bloß sein: können wir das? (nämlich dem hund beibringen)
sondern vorher noch: dürfen wir das? (aus ethischen gründen)

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.