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by brigid

Juli 12, 2015

ein bild des jammers. dein wohnzimmer genauso wie dein hund. überall erde von der topfplanze, die der wicht ausgegraben, offenkundig kräftig durchgeschüttelt und dann in tausend einzelteile zerlegt hat. jetzt sitzt er da vor dir, die ohren nach hinten gelegt, duckt sich schuldbewusst unter deinem blick und weiss wohl ganz genau, dass er was angestellt hat.

weiss er das wirklich?
ist der blick echt schuldbewusst?
hat er jetzt ein schlechtes gewissen?

die kurze antwort:

NEIN.

aber warum schaut er dann so?

guilty1

 

 
ganz einfach:
deinetwegen!

nein. er weiss jetzt nicht, dass das deine lieblingspflanze war oder dass er mit der aktion deinen neuen teppich völlig versaut hat.

was dein hund aber ganz genau weiss:

wie du drauf bist!
darauf reagiert er!

und weil du offenbar nicht so gut drauf bist, geht er mal auf konfliktvermeidung, auf deeskalation, auf beschwichtigung.

aus hundeperspektive könnte die sache so gelaufen sein:
mir ist langweilig. und ein bisschen unruhig bin ich auch (meine mensch ist schon soooo lang weg). muss irgendwas tun mit der energie in mir. hmmmm. nicht viel los hier herinnen.  ah! aber buddeln tu ich gern und da ist doch tatsächlich ein kleines fleckchen erde. also los! he, das macht spass! das ding in der erde kann man auch schütteln, wie ein stöckchen. holla, das macht ja gleich noch mehr spass. noch eine wilde runde, yeaahhh!
ah, da kommt ja mein mensch! nix wie hin……..uups, brems, der schnappt ja nach luft und ist ganz aufgeregt. hat wohl ärger gehabt und jetzt miese laune. bloss nicht provozieren! langsam bewegen, nicht in die augen schauen. ich mach mich noch ein bisschen kleiner. nur cool, alte/r, ich lass dich total ihn ruh. (du mich bitte auch).

oder so ähnlich.

kein funken verstehen, dass der hund was verbotenes getan hat.

kein ahnung, dass du nicht einfach schlechte laune hast, sondern das versaute wohnzimmer dir auch grad die stimmung versaut hat.

aber ein genaues radar für deine befindlichkeit.
und sozial kompetentes verhalten: ist der andere angespannt, muss ich ihn beschwichtigen.

zu dumm, dass das beschwichtigen für uns so nach schuld-eingeständnis aussieht.

du glaubst mir nicht? weil deiner was gemacht hat, wo er genau weiss, dass er das nicht darf. weil es nämlich nicht das erste mal war…

ein englischer sir mit beagle samt großer vorliebe für den mülleimer wollte das auch nicht glauben. jedesmal, wenn der beagle alleine zuhause war, stürmte er die küche, schmiss den mülleimer um und verteilte den müll über den ganzen küchenboden, minus der fressbaren anteile (war ja auch ein beagle!).  obwohl ihm ein befreundeter wissenschafter genau erklärte, wie die sache mit der einsicht und dem lernen beim hund von statten geht.  aber selbst, wenn der sir völlig cool blieb beim heimkommen, war der beagle ein häufchen schlechtes gewissen. oder sah jedenfalls so aus.

guilty2

 

also machten die beiden ein experiment…

 

 

der sir ging weg wie gewohnt, der wissenschafter blieb in seiner küche, schnappte sich selber den mülleimer und verteilte vor den augen des vermutlich sehr verblüfften beagles den müll über den ganzen küchenboden. dann kam der sir zurück. und siehe da: der diesmal völlig unschuldige beagle benahm sich wie immer in der situation und war ein häufchen schlechtes gewissen! unschuldig, aber schuldbewusst?

was war passiert? der beagle hatte einfach abgespeichert „wenn müll auf dem küchenboden liegt, ist herrchen wütend und muss beschwichtigt werden.“ sonst nichts.  eine gelernte assoziation, ein erlerntes verhalten spezifisch für die situation. (bemerkenswert finde ich übrigens, dass der sir nie gelernt hatte, die küchentür abzusperren oder den mülleimer sicher zu verwahren 🙂 ).

fazit der geschichte:
es mag schon sein, dass dein hund was angetellt hat.  was du eine stunde (oder auch nur eine minute) später deswegen tust, bringt er damit aber echt nicht in verbindung.  er reagiert einfach auf deine körperhaltung und stimmung.

du kannst das schuldbewusste aussehen vermutlich sogar absichtlich herbeirufen: bau dich vor deinem hund auf, mach dich richtig groß und stark, beug dich mit dem oberkörper vor, schau ihm direkt in die augen, halt die luft an, spann die muskeln an und erinner dich an was, wo du dich geärgert hast. voila! der hund zeigt die ersten anzeichen von schlechtem gewissen.
(mach den test mit sensiblen hunden lieber nicht und auch mit anderen höchstens einmal und zurückhaltend, schließlich willst du deinen hund ja nicht absichtlich bedrohen oder ängstigen. machs am besten auch unabsichtlich nicht! mehr infos zur körpersprache findest du, wenn es dich interessiert, im webinar „hunde/körper/sprache“ hier)

wie reagierst du nun richtig, wenn du ins verwüstete wohnzimmer und zum „schuldbewussten“ hund heimkommst?

  • bloss nicht schimpfen! dein hund denkt sonst noch, du bedrohst ihn als begrüßung (fördert die beziehung nicht sehr)
  • ausatmen! und nochmal ausatmen. und gleich nochmal.
  • ruf den hund zu dir (um ihn aus der verwüsteten zone mal rauszukriegen), und zwar gaaaaanz ruhig, lass ihn irgendwas machen (sitz, platz,…..), damit er zur belohnung was zu kauen bekommen und damit in einen anderen raum geschickt werden kann.
  • spar dir den ärger, der schaden ist ja schon geschehen und dein ärger hilft auch nichts mehr.
  • falls der ärger nicht so schnell weggeht: lass ihn nicht am hund aus, sondern nutz die energie fürs saubermachen (und ignorier dabei den hund)
  • und das wichtigste: überleg dir gleich jetzt sofort, wie du eine wiederholung oder ähnliches vermeiden kannst. also zum beispiel den hund weniger lang allein lassen oder besser auslasten und/oder erst mal für die nächsten paar tage sämtliche topfpflanzen entfernen oder den topf und die erde mit plastikfolie abdecken oder auf hydrokultur umstellen oder….

sonst musst am ende du noch ein schlechtes gewissen haben, weil du nicht richtig vorgesorgt und den hund in eine schwierige situation gebracht hast. und das wollen wir ja nun auch nicht :-).

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.