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by brigid

Dezember 31, 2023

hund versteht nicht

wer kennt das nicht: der hund versteht es einfach nicht.
er macht was unerlaubtes.
er macht was falsch, obwohl wir das richtige geübt haben.
er macht was er will und kümmert sich nicht um uns.

konkrete beispiele fallen dazu sicher jedem ein, denn irgendwie gehört das alles auch zum leben mit hund.
genauso wie der stoss-seufzer „warum kapiert er das nicht endlich?“ (oder so ähnlich).

in den allermeisten situationen steckt allerdings was anderes dahinter:
nicht der hund versteht es nicht, sondern wir verstehen den hund nicht.

genau deswegen entstehen die vermeintlichen „fehler“ überhaupt erst
oder geraten ganz normale alltagssituationen zum problem.

wir denken oft zu menschlich oder jedenfalls nicht „hündisch“ genug.

die motive und verhaltensmuster von hunden richtig zu verstehen,
ist uns ja nicht in die wiege gelegt.
das kann man nicht einfach so, sondern muss man sich erst aneignen.
(wer sein wissen vertiefen möchte, dem bietet übrigens der kurs „hunde verstehen“ eine gut nachvollziebare basis).

schauen wir uns anhand von drei typischen beispielen mal an, wo die missverständnisse liegen.

1. „das macht er, obwohl er’s besser weiß“

da haben wir dutzendfach mit dem hund geübt, dass er bei hundebegegnungen ruhig neben uns her laufen soll
(oder dass er besucher nicht stürmisch anspringen soll oder ähnliche unbeherrschte reaktionen an den tag legt),
und doch macht er es wieder.

was ist da los?

fast immer liegen die motive tiefer als das, was wir geübt haben.
emotionen, konditioniert aufregung, negative erfahrungen doer schlicht ein generell hoher stresspegel führen dazu, dass der hund gar nicht anders kann.

er weiß zwar, was man mit ihm geübt hat.
er kann in dem moment das geübte aber nicht ausführen.
es geht einfach nicht.

wir menschen kennen das ja auch:
wir wissen, dass es nichts bringt sich zu ärgern, und tun es doch gelegentlich.
und ist bewusst, dass wir uns gesund ernähren sollen und landen doch wieder beim junk-food.

wie soll da der nicht ganz so rational gesteuerte hund gegen seine emotionen und impulse jederzeit ankommen können?

wenn es wieder mal passiert, dass wir uns denken „warum macht er nicht das, was wir geübt haben“,
sollte uns klar sein, dass der hund gerade überfordert ist und nicht viel anders reagieren kann.
oder aber, dass es sich um ein eingelerntes verhalten handelt,
das wir noch nicht ausreichend um-trainiert haben.

2. „das macht er, um mich zu ärgern“

wenn der hund ganz gezielt bestimmte sachen von seinem menschen klaut oder zerstört,
wenn der genau im bett sein geschäft verrichtet oder das lieblingssofakissen anknabbert,
weil man ihn mal nicht mitgenommen hat oder ihm nicht genug aufmerksamkeit geschenkt hat,
dann liegt der verdacht nahe,
dass der hund sich damit revanchieren will.

ein solches kalkül kennen hunde aber nicht.
sie denken nicht in der kategorie „du ärgerst mich jetzt, also tu ich etwas, was dich dann nachher ärgert“. 

hunde rechnen nicht ab.
das setzt zu viel rationales, überlegtes und auf zeit angelegtes verhalten voraus.
dazu müssten sie erstens das handeln des menschen, zweitens das eigene handeln etwas später und drittens die reaktion des menschen noch viel später vorausberechnen.
das ist dann doch etwas viel verlangt.

die vermeintlichen racheakte sind in aller regel akte der verzweiflung oder ausdruck von großem stress.
wenn der hund mit dem alleinsein (zumindest jetzt gerade) ein problem hat,
sucht er trost beim geruch seines menschen und im hundemäßigen komfortverhalten.
das sind dann eben die socken oder der lieblingspulli und das kauen und beißen daran.
(oder unsauberkeit bei großem stress, die in der geruchsblase des menschen stattfindet – nämlich im bett).

manche der weniger heftigen „will mich ärgern“ reaktionen entstamen einem inneren konflikt des hundes –
er will das eine, sein mensch das andere und er weiß nicht, wie er das verarbeiten soll
oder dem frust und der aufregung, die sich gern in herumalbern und gezappel äußern.

ärgerlich für unsereines,
aber keine absicht des hundes.

3. „das macht er mit schlechtem gewissen“

als beweis dafür, dass der hund manchmal genau weiß,
dass er was verbotenes gemacht hat,
wird das „schlechte gewissen“ ins treffen geführt.

gemeint ist damit ein ausdruck des hundes,
den wir als schuldgefühl interpretieren,
weil der hund uns nicht in die augen schauen kann, bekümmert dreinschaut,
sich duckt und versucht, unsichtbar zu werden.

das ist allerdings kein schlechtes gewissen, sondern beschwichtigungsverhalten.

der hund merkt, dass sein mensch sauer ist.
um die situation zu entschärfen, beschwichtigt er daher deutlich.
warum der mensch sauer ist oder gar,
dass der mensch auf ihn, den hund, sauer ist, weil er was angestellt hat,
ist dem hund alles andere als klar.

der hund reagiert mit seiner körpersprache und seinem ausdruck schlicht
auf die körpersprache und den ausdruck des menschen.
in der absicht, ihn zu besänftigen.
in allen lebenslagen – egal, ob er was „angestellt“ hat oder es jeman anderer war oder gar niemand was angestellt hat.

machen wir’s schlimmer?

warum es so wichtig ist, diese missverständnisse aufzuklären?

nun einerseits natürlich, damit der hund sich verstanden fühlen kann
und der mensch seinerseits seinen hund richtig versteht.

andererseits aber auch deswegen, damit wir mit unserer reaktion
die sache nicht noch schlimmer machen.

kommen wir nämlich dem hund, der überfordert oder von seinen emotionen dominiert ist („obwohl er’s besser weiß“)
oder dem hund, der in seinem stress was kaputt macht („weil er mich ärgern will“)
oder der ohnehin schon in einer angespannten situation steckt („und ein schlechtes gewissen hat“)
nun mit druck, mit unmut oder schimpfen oder einem eigenen ausraster,
dann beweisen wir nur,  dass wir keine ahnung haben,
dass der hund sich nicht auf unsere unterstützung verlassen kann.

mal ganz abgesehen, dass der stresspegel, die emotionen und die impulsivität des hundes weiter angeheizt werden.
was keiner brauchen kann.

daher bitte immer genau überlegen,
wie denn eine situation aus hundeperspektive und dem hundeverhalten heraus zu verstehen ist.
dann können wir auch leichter gelassen und richtig reagieren.

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.