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by brigid

Oktober 8, 2023

schutzhund

man fragt sich, warum es nicht längst ein verbot der schutzhundeausbildung gibt.
sie ist ein relikt aus den anfängen der hundeerziehung bei polizei und militär
(und selbst dort zunehmend anachronistisch),
und alle paar jahre kommt es zu einem schlimmen oder sogar tödlichen beissvorfall mit einem hund,
der im schutzhundetraining war.

und was folgt dann?
der ruf nach dem verbot der hunderasse, die der hund gerade angehörte.
die forderung nach strengeren auflagen für große hunde
oder gleich ein generelles verbot für hunde, die ernsthaft beißen könnten.

nur eines kommt kaum: die forderung nach dem verbot der schutzhundeausbildung.

schutzhund
daher erhebe ich die hier mal – jenseits aller tragischen einzelfälle – für alle hunde
und habe dafür mindesten fünf gute gründe.

1. härte

hunde sind nicht von natur aus aggressive bestien,
die man mittels viel erziehung erst soweit zähmen muss,
dass man mit ihnen gefahrlos zusammenleben kann.

es ist genau umgekehrt.

hunde sind von natur aus soziale lebewesen
mit einem großen repertoire an verhaltensweisen zur konfliktvermeidung und deeskalation.
sowohl anderen hunden als dem menschen gegenüber.

natürlich haben hunde auch zähne und können sich damit notfalls auch wehren,
doch viele hunde setzen sie nicht mal dann ein, wenn sie massiv bedroht oder gar misshandelt werden.

man kann also schon einiges auffahren,
um ein solches lebewesen dazu zu bekommen,
gegen den eigenen instinkt auf einen menschen loszugehen,
gegen die schon im wurf eingelernte beisshemmung sich in einen körperteil dieses menschen zu verbeissen
und auch dann nicht loszulassen,
wenn ihm ein stockhieb verpasst wird (altes regelement) oder ein stockhieb angedroht
oder eine „berührung“ mit dem stock ausgeführt wird (neues regelement).

in der regel erreicht man das mit großem druck und harten erziehungsmethoden,
bei denen der hund richtig hochgeputscht wird,
sich in seiner erregungslage dann endlich wie gewünscht im schutzhelferärmel verbeisst
und lernt: ruhe von hinten (also vom ausbildner) hab ich erst dann,
wenn ich beiße und festhalte.

(und nein: da läuft nichts wirklich über spieltrieb und beutetrieb,
auch wenn das noch so oft behauptet wird).

das ist nicht nur als ausbildungsmethode abzulehnen,
es hat auch eine gefährliche nebenwirkung.

2. zubeissen als gelernte stressreaktion

der hund lernt dabei eine strategie,
wie er sich bei starkem stress erleichterung verschaffen kann:
nälich durch zubeissen.

diese strategie überträgt er unter umständen auf andere situationen,
weit außerhalb des schutzhunde-trainings.

er unterscheidet ja nicht:
jetzt kommt mein großer stress vom training und zubeißen hilft nicht nur, sondern ist erwünscht.
ein andermal kommt mein großer stress nicht vom training, daher soll ich nun doch nicht zubeißen.

ein hund kann aus allen möglichen ursachen in seinem leben mal einen hohen stresspegel haben,
der macht ihn dann sowieso impulsiver und reaktiver.
hat er dann noch das zubeißen als seine strategie zur stressbewältigung gelernt, kann es wirklich gefährlich werden.

3. die falsche bewegung

noch etwas anderes unterscheidet der hund nicht unbedingt:
dass eine bestimmte bewegung eines menschen im training als auslöser für sein aggressives verhalten gilt,
dieselbe bewegung eines menschen im alltag dieses verhalten aber keinesfalls auslösen darf.

theoretisch ließe sich das so weit trainieren,
dass der hund nicht auf die bewegung alleine reagiert, sondern nur in kombination mit anderen auslösern
(die im alltag eben nicht vorkommen).

doch nicht einmal bei polizeidiensthunden klappt das immer verlässlich,
geschweige denn bei den vielen, die mit ihrem hund mal den schutzhunde“sport“ ausprobieren
und gar nicht die nötigen kenntnisse für ein korrektes training mitbringen.

da passiert’s dann schon mal, dass der hund eine bewegung „missversteht“
und das einen sprung richtung arm oder einen biss ins bein auslöst.

es soll ja in manchen kreisen üblich sein,
nach dem training mit dem nun völlig hochgedrehten hund
nur ja nicht mehr in die öffentlichkeit zu gehen,
weil man für nichts mehr garantieren kann.

4. schmerzen

das (österreichische) tierschutzgesetz verbietet es, einem tier
„ungerechtfertigt schmerzen, leiden oder schäden zuzufügen“.

ohne die geht es in der schutzhundeausbildung aber nicht ab.
wenn der hund sich in den schutzärmel verbeißt
und der schutzhelfer in dann von den beinen reißt und herumwirbelt,
hängt das gesamte gewicht des hundes samt fliehkraft an seinem kiefer.

wenn der hund aus vollem lauf auf den schutzhelfer springt und in den ärmel beißt,
gibt der aufprall einen ordentlichen stoß – den entweder der schutzhelfer über seinen körper abfedert
oder der dem hund in den rücken fährt.
einer von beiden hat irgendwann einen kaputten rücken, meist der hund.

schmerzen, körperliche schäden und auch leiden unter den harten trainingsmethoden
sind in der schutzhundeausbildung daher nicht zu vermeiden.

5. hund als waffe

kommen wir als letztes noch zu einem ethischen punkt:
wir kann man rechtfertigen, dass wir ein fühlendes, kognitiv hochentwickeltes, soziales lebewesen wie den hund
zur waffe abrichten und als waffe einsetzen?

noch nicht einmal dann, wenn das mit sanftesten trainingsmethoden ganz ohne belastung für den hund abginge,
wäre das wirklich vertretbar, dass ein lebewesen ein anderes als waffe für sich nutzt.

schon gar nicht in einem umfeld, wo „mannschärfe“ nun das letzte ist,
was man für ein friedliches zusammenleben von hunden und menschen
sowie von hundehaltern und hundegegnern braucht.

die schutzwirkung der hunde für den menschen bestand die längste zeit der gemeinsamen geschichte in etwas ganz anderem:
im bellen. im alarm schlagen und den menschen auf den plan rufen.
nicht darin, sich selber mit aggressivem verhalten auf den menschen zu stürzen.

„ja aber…“

„ja aber, man kann den hund doch auch mit dem clicker zum schutzhund ausbilden“
wird jetzt vielleicht jemand einwenden.

es stimmt, es gibt eine handvoll (wenn überhaupt) trainerInnen,
die polizeidiensthunde mit dem clicker ausgebildet haben.

doch erstens ist der clicker alleine noch keine garantie, dass ein training wirklich freundlich und gewaltfrei abläuft,
und selbst wenn: es bleiben immer noch die punkte 2 bis 5.

„ja aber, die polizei braucht doch diensthunde, die wird man doch nicht verbieten wollen?“
kommt auch gelegentlich als argument.

für den einsatz als drogenschnüffel- und spürhunde, unbedingt.
doch der hund mit schutzausbildung als waffe?
der ist nicht mehr wirklich sinnvoll,
mit der modernen technologie lässt sich fast alles an einsatzbedarf (aufspüren, abklären…) besser abdecken.

die paar sekunden überraschungseffekt, auf die man mit dem hundeeinsatz abzielt,
sind den ganzen aufwand nicht wert.
schon gar nicht die ganze belastung, die das für die hunde mit sich bringt.

daher: bitte, bitte verbieten wir endlich die schutzhundeausbildung.
im ersten schritt jedenfalls für alle außerhalb von polizei und militär.
wenn’s nach mir geht im nächsten schritt auch die.

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.