ist die sorge eigentlich berechtigt, dass dein hund dich womöglich kontrolliert?
manche reden ja sogar davon, dass hunde einen kontrollzwang haben.
wobei kontrolle durchaus im sinne von wikipedia definiert wird, nämlich als
„ein mittel zur herrschaft oder gewalt über jemanden oder etwas“.
(wer sich an die alten geschichten von rangordnung und dominanz erinnert fühlt, liegt damit nicht ganz falsch)
gleich vorweg:
kontrollzwang ist ein märchen.
esr entbehrt jeder wissenschaftliche grundlagen.
mit dem realen verhalten von hunden hat das nichts zu tun.
es handelt sich vielmehr um einen haufen kruder erklärungen für verhaltensweisen,
die noch nicht mal was miteinander zu tun haben, geschweige denn der erlangung von herrschaft dienen.
schauen wir uns die am häufigsten genannten symptome von vermeintlichem kontrollzwang mal kurz an.
1. räumliches begrenzen
wenn der hund einem im weg liegt oder sich quer vor einen stellt oder in anderer form in der bewegungsfreiheit beschränkt,
wird das als besonders typische form von kontrollzwang gewertet.
hmmm…..
wenn du in dem moment trotzdem problemlos an ihm vorbei gehen
(oder ein wenig unhöflich aber doch) über ihn hinweg steigen kannst,
ist das ganz normales hundeverhalten.
sie liegen nun mal gern an stellen, wo sie mitkriegen, was sich tut –
nämlich um nichts zu verpassen und nicht etwa, um etwas zu unterbinden.
oder manchmal liegen oder stehen sie einfach zufällig da,
wo wir auch durch wollen.
(mehr zu den feinheiten und bedeutungen der räumlichen anordnung, die wir tatsächlich oft zu wenig auf dem schirm haben, wird demnächst im fachwebinar „wenn der hund den weg versperrt: vom raumdenken, umgangsformen und blockieren“ behandelt)
anders wäre die sache bei einem hund, der sich tatsächlich drohend vor dir aufbaut und sagt:
keinen schritt weiter!
der jede bewegungen argwöhnisch verfolgt
und man kann nicht sicher sein, ob er bei einer zu schnellen bewegung
oder einem falschen schritt nicht zum angriff übergeht.
in fast 20 jahren arbeit mit problemhunden ist mir so ein hund erst einmal (!)
also genau ein einziges mal untergekommen.
und hinter seinem verhalten steckte eine (in seiner vorgeschichte begründete) riesenangst,
dass man ihm etwas tun könnte.
er hatte ein tiefes misstrauen gegen menschen und war schlicht auf der hut,
um sich sofort wehren zu können, bevor man ihm was antun konnte.
so ziemlich das blödeste was man hätte tun können, wäre es gewesen,
ihn in seine schranken zu verweisen und mit drohender körpersprache zu blockieren.
2. auf schritt und tritt verfolgen
als andere form von kontrollversuch wird es interpretiert,
wenn einem der hund auf schritt und tritt nachläuft.
nun kann das verhalten tatsächlich problematisch sein.
der hund kommt dadurch ja kaum zur ruhe und baut ziemlichen stress auf.
außerdem hat er oft einen ernsthaften grund:
nämlich die angst, seinen menschen zu verlieren.
oder generelle unsicherheit und daher das bedürfnis, an der kittelfalte von mama oder papa zu hängen.
das verhalten tritt nicht zufällig besonders oft in der eingewöhnungsphase eines hundes im neuen zuhause auf
und vorrangig bei hunden, die eher unsicher sind.
oder aber es gibt einen ganz anderen grund dafür:
der hund kommt vor lauter stress nicht zur ruhe
und wird fürs hinterherlaufen noch mit aufmerksamkeit vom menschen belohnt.
denn alles, was man in dem moment sagt oder tut –
also den hund wieder auf seinen platz schicken, ihn beruhigen, ihn schimpfen,
ihn mit einer kaustange in seine box locken oder auch nur ihn kurz anschauen –
alles, alles wirkt als belohnung fürs hinterher laufen.
klar macht der hund das dann.
kontrollabsicht? gar keine.
3. anbellen
da steht der hund vor einem und bellt einen fordernd an.
oder man spricht am telefon, in einem live-call oder unterwegs mit einem bekannten
und der hund geht bellend dazwischen,
will er da nicht doch kontrollieren?
zu forderndem bellen neigen hunde in aller regel dann,
wenn einige dinge zusammenkommen:
– niedrige frustrationstoleranz
– hohe aufregung
– ein mensch der darauf einsteigt.
hunde machen nun mal das, was ihnen den gewünschten erfolg bringt.
und wenn das bellen zum erfolg (= der aufmerksamkeit des menschen) führt,
dann bellt der hund eben.
besonders bellen wird leicht zu einem aufmerksamkeitsheischenden verhalten,
hat aber auch andere motive – insbesondere unsicherheit und angst oder große aufregung.
dagegen hilft ein vernünftiges anti-bell-training,
diverse bemühungen, die kontrolle vom hund wieder zurückzuerlangen kann man sich ruhig sparen.
4. rebellieren gegen alleinsein
hartnäckig hält sich leider auch der glaube,
dass hunde deswegen dinge in der wohnung zerstören, wenn sie alleine bleiben müssen,
weil sie sich damit an ihrem menschen revanchieren wollen.
wenn der ohne hund weggeht – so die erklärung – entzieht er sich damit der kontrolle des hundes,
und das müsse der hund in seinem kontrollzwang dann dadurch wettmachen,
dass er sich an den dingen seines menschen zu schaffen macht
oder seinen zorn darüber in zerstörungswut entlädt.
weit gefehlt!
und ein völlig verquerer gedankengang, zu dem hunde nicht imstande sind.
hunde verknüpfen direkt miteinander auftretende ereignisse und lernen unmittelbare folgen von handlungen.
doch kein hund liegt da und sinniert eine stunde lang,
wie er es seinem menschen heimzahlen kann,
dass der es gewagt hat, ohne ihn das haus zu verlassen.
in diesem fall scheint mir das erklärungsmuster „der hat kontrollzwang“ besonders perfide,
denn der hund hat ein ernstes problem: trennungsangst.
also panik vor dem alleinbleiben, die sich in unterschiedlicher form entlädt –
mit dauerbellen, zerstörungsanfällen oder unsauberkeit.
der hund leidet nicht an kontrollzwang.
er leidet an verlassensängsten und der sozialen isolation.
5. aggression an der leine
aggressives verhalten an der leine gegenüber anderen hunden wird ebenfalls als kontrollzwang gedeutet.
wohl deswegen, weil der hund dabei erstens nicht wie gewünscht hinter oder neben dem menschen läuft,
sondern weiter nach vorne geht,
weil er zweitens die situation selber kontrollieren will und das nicht seinem menschen überlässt
und weil er drittens auch gleich noch den anderen hund maßregeln möchte.
wenn er noch dazu generell an der leine zieht – und der mensch sich mitziehen lässt –
ist das angeblich auch kontrollierendes verhalten.
der hund zieht aber nicht, weil er den menschen kontrollieren möchte.
der hund zieht deswegen, weil er so am schnellsten dorthin kommt, wo er hin will
und weil er es nie anders gelernt hat.
oder weil er ganz einfach total aufgeregt ist und sich nicht beherrschen kann.
genau dasselbe natürlich bei hundebegegnungen:
er findet sie super aufregend (wegen großer freude oder großer skepsis anderen hunden gegenüber)
und hat nie gelernt, sie ruhig und angemessen zu bewältigen.
sowohl die leinenführigkeit wie auch das verhalten bei hundebegegnungen
sind eine frage der erziehung, der impulskontrolle des hundes (und des menschen)
und einer umsichtigen führung durch den menschen.
wenn der hund (oder beide) an der leine die nerven schmeißt,
dann jedenfalls sicher nicht um seinen menschen zu kontrollieren.
die missverständnisse über die motive der hunde, die angeblich „kontrollzwang“ haben,
zeitigen leider herbe auswirkungen.
denn die gegenmaßnahmen sind in aller regel wenig freundlich
und häufig mit erheblichem druck und einschüchterung des hundes verbunden –
in der regel das letzte, was ein verunsicherter oder gestresster oder schlicht mangelhaft erzogener hund noch verkraften kann.