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by brigid

Juni 11, 2023

hundeerziehung wolf

in der hundeerziehung berief (und beruft) man sich gern auf das verhalten eines wolfsrudels und was man daraus für den umgang von menschen mit ihren hunden ableiten könne.

das ist einerseits falsch, weil wölfe und hunde zwei getrennte und eigenständige spezies sind,
die sich gerade auch in ihrem sozialverhalten deutlich unterscheiden.
da könnte man genauso gut aus dem verhalten von schimpansen schlüsse auf das verhalten von menschen ziehen.
(wo man noch nicht mal das sozialverhalten von schimpansen und ihren viel näheren verwandten, den bonobos, annähernd vergleichen kann).

das ist andererseits falsch, weil die beobachtungen des wolfsverhaltens, das man sich zum vorbild nahm,
völlig falsch waren.

freilebende wolfsrudel haben keine hierarchische rangordnung mit einem alpha, der alle anderen unterbuttert.
es ist längst wissenschaftlich eindeutig nachgewiesen, dass wolfsrudel eine familienstruktur aufweisen,
wo das elternpaar, die jungwölfe und die welpen vom aktuellen wurf zusammenleben.
vater oder mutter wolf kämen da gar nicht auf die idee, ihrem nachwuchs das futter wegzufressen
oder sie permanent zu „dominieren“.
sie wollen ja, dass ich die kleinen gut entwickeln und zu überlebensfähigen erwachsenen werden.

was man im wolfsrudel aber sehr wohl beobachten kann,
ist ein verhalten, das wir auch vom hundeplatz kennen:
die halbstarken jungwölfe – man nennt sie die „beta wölfe“ –
die sozial noch nicht gefestigt sind,
werden manchmal (untereinander) laut und heftig, um sich durchzusetzen.

hundeerziehung wolf

was sie damit verraten: sie sind unsicher und sozial noch unsouverän.
genau das aber ahmen manche menschen nach,
wenn sie sich ihrem hund gegenüber durchsetzen wollen.

da reden wir noch gar nicht von erwiesenem unfug wie alpharolle oder schütteln am nackenfell
(beides kommt unter wölfen wie hunden nur im zuge des jagdverhaltens mit tötungsabsicht vor).

wenn der mensch zum beta wolf wird

wir reden von den menschen, die laut werden oder gar rumbrüllen,
die sich körpersprachlich vor dem hund aufbauen und ihn damit einschüchtern (wollen),
und die grundsätzlich der meinung sind, man müsse ordentlich auf den putz hauen,
um sich respekt zu verschaffen.

laut werden oder druck verbreiten mag zwar den hund einschüchtern,
es signalisiert ihm aber eines nicht: autorität.

autorität unter hunden ist soziale sicherheit, eine souveräne ausstrahlung
und ein selbstverständliches und kompetentes sozialverhalten,
wo der hund erst gar keinen grund hat, laut zu werden.

bei einem souveränen hund reicht oft ein blick,
um ungestüme junghunde in ihre schranken zu verweisen.
ein sicherer und sozial kompetenter hund lässt einen pöbelnden anderen oft einfach „auflaufen“,
bleibt in ruhe stehen und beschwichtigt.

alles das genau gegenteil von dem, was wir menschen an den tag legen,
wenn wir unsere rolle als „rudelführer“ oder alpha dokumentieren wollen.

wer laut wird, hat sich in der hundewelt bereits als sozial inkompetent
und als unsouverän und unsicher demaskiert.
so einem folgt man nicht vertrauensvoll und hält ihn nicht für eine verlässliche führungsperson.

souveräne führung sieht anders aus.

souveräne führung?

wer genau hinschaut, erkennt schnell, dass hinter dem herrischen auftreten was anderes steckt.
wir behaupten zwar, es ginge um die führungsrolle,

in wirklichkeit ist es meist eines (oder mehrere) der folgenden motive:
– die eigene überforderung, wenn wir nicht mehr weiter wissen
– das übernehmen von überholten methoden der hundeerziehung ohne hinterfragen
– die angst vor dem kontroll-verlust (wenn der hund nicht macht, was er soll)
– mängel in der hundeerziehung und unser frust darüber
– der glaube, man könnte den hund nur so in seine schranken verweisen

(wie man dem hund in der erziehung die nötigen grenzen auf souveräne art und weise aufzeigt, ist demnächst thema in einem neuen fachwebinar „grenzen setzen: wann, wie und warum“)

wer das verhalten eines cholerischen vorgesetzten,
eines genervten elternteils oder eines gestressten partners kennt
(oder selber manchmal einer davon ist), wird das verhalten wiedererkennen.

es ist nachvollziehbar, wie es dazu kommt.
es hat aber keinen platz in der modernen hundeerziehung (und auch nicht im umgang mit menschen).
während es uns menschen gegenüber (hoffentlich) bewusst ist,
fehlt diese klarheit im umgang mit dem hund manchmal noch.

der hund braucht aber anderes von uns, im zusammenleben im alltag genauso wie in der hundeerziehung.
die rolle des hundes kann man vergleichen mit einem kind oder jugendlichen in einer familie
(oder einem jungwolf im wolfsrudel oder einem junghund in einer hundegruppe).

selbstverständlich muss der das eine oder andere lernen und sein sozialverhalten erst entwickeln.
dazu braucht er aber jemanden in einer verantwortlichen eltern-rolle
und mit den qualitäten einer umsichtigen und sourveränen führungsperson,
keinen herumbrüllenden, selber unsicheren „beta wolf“.

worauf es dabei besonders ankommt, das knöpfen wir uns das nächste mal im blog vor.
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über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.