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by brigid

November 27, 2022

anhänglicher hund

ein anhänglicher hund gilt oft als einer, der eine besonders enge bindung zu seinem menschen hat.
er will immer in seiner nähe sein, entfernt sich beim spazierengehen nicht mehr als ein paar meter von ihm
und folgt ihm selbst im haus auf schritt und tritt – im extremfall bis aufs WC und in die dusche.

doch hat der anhängliche hund wirklich eine engere bindung an seinen menschen als der hund,
der gemütlich auf seinem plätzchen im nebenzimmer liegt und schläft – egal, was sein mensch tut –
oder der beim draußen große runden zieht und auch auf den rückruf mal nicht so prompt hört?

nein.
die bindung ist nicht enger, sie ist anders.
und unsicher.

es gibt ja unterschiedliche bindungstypen.
die besonders anhänglichen gehören in der regel zu den „unsicher-ambivalenten typen“.
das sind jene, die in ihrer ursprünglichen bindung (auf mutterhündin oder die erste menschliche bezugsperson) erlebt haben,
dass sie sich auf ihren bindungspartner nicht verlassen können,
dass der/die mal sehr fürsorglich und dann wieder sehr abweisend sein kann.
dadurch entsteht eine verunsicherung beim welpen oder junghund,
die ihn die nähe zu seinem bindungspartner noch stärker suchen lässt.

mehr zum thema bindungsverhalten und wie man (trotzdem) die beziehung zwischen und und mensch noch weiter vertiefen kann, gibt es demnächst im webinar „sichere bindung, enge beziehung“, zu dem du dich gleich hier anmelden kannst (kostenlos):

kommt dazu, dass der hund schon mal sein zuhause verloren hat,
vielleicht sogar mehrfach den platz wechseln musste oder längere zeit im tierheim und daher ohne fixe bezugsperson war,
dann hängt er sich erst recht an seinen menschen
und möchte ihn aus sorge, ihn wieder zu verlieren,
oder aber aus der unsicherheit seines bindungsverhaltens heraus
am liebsten gar nicht mehr aus den augen lassen.

das ist nicht nur für den menschen unbequem
(ein gemütliches, langes bad geht nunmal besser, wenn der hund dabei nicht vor der türe fiept
oder am liebsten mit in die wanne springen möchte).

es ist auch für den hund eine belastung.
hinter der anhänglichkeit stehen ja unsicherheit oder sogar verlustängste
(ausgenommen bei jenen, die das aussschließlich als aufmerksamkeitsheischendes verhalten machen).

anhänglicher hund

was kann man dagegen nun tun?
hier sind die fünf wichtigsten dinge, die ein übermäßig anhänglicher hund braucht:

1. verlässlichkeit

hinter dem unsicheren bindungstyp steht die erfahrung,
dass der bindungspartner nicht verlässlich für einen da ist,
dass er mal total nett und fürsorglich und dann wieder gereizt und abwesend ist.

umso wichtiger ist es nun, dass der hund sich darauf verlassen kann,
dass seine bedürfnisse immer – nicht nur, wenn der mensch grad gut drauf ist – erkannt und erfüllt werden,
dass er die nötige fürsorge bekommt und emotionale stabilität erfährt.

fixe rituale, ein geregelter tagesablauf und vor allem:
ein gleichbleibend (!) ruhiger und liebevoller umgang mit dem hund, sind essentiell.
nichts verunsichert den übermäßig anhänglichen hund mehr
als launenhaftigkeit und häufig wechselnde stimmungslagen bei seinem menschen.

2. rückhalt

was der anhängliche hund bei seinem menschen sucht, ist vor allem rückhalt.
er fühlt sich sicherer, wenn er direkt bei seinem menschen sein kann.

paradoxerweise gilt daher auch: je schlechter es dem hund geht,
weil er zum beispiel grob behandelt wird oder weil sein mensch grad nur mega-stress und keine zeit für den hund hat,
desto anhänglicher wird er.

denn in zeiten von anspannung und sorge braucht der hund den rückhalt von seinem menschen noch mehr als sonst
und versucht, sich den durch nähe zu organisieren – selbst wenn es nicht funktioniert,
weil er weggeschickt oder angeschnauzt wird.

sicherheit ist ein wichtiges thema für den anhänglichen hund.
je sicherer er sich fühlt, je mehr er sich entspannen kann,
desto weniger muss er dauernd an seinem menschen drankleben.

3. schutz vor überforderung

echte gefahren drohen unseren hunden zum glück im alltag selten,
wohl aber gefährden die kleinen oder größeren überforderungen sein gefühl von sicherheit.

wir menschen stellen uns unter überforderung oft jene situationen vor,
die uns selber auch mühe machen:
wenn der hund zum beispiel bellend in die leine springt bei begegnungen.

aus hundeperspektive tritt überforderung oft viel früher und vor allem viel häufiger auf.
er fühlt sich vielleicht bei allen begegnungen unwohl.
reagiert aber nur dann heftig, wenn es besonders schlimm ist.

oder er erlebt etwas als überforderung, was wir als freundlich wahrnehmen –
der nette nachbar, der unseren hund streichelt –
oder was wir sogar als unterhaltung für unseren hund organisieren:
sei es nun spiele mit anderen hunden, von denen der eine oder andere vielleicht zu stürmisch ist,
oder denkaufgaben oder tricks, die unser hund aber nicht schnell genug versteht und dann aufgibt.

sicherheit gewinnt der hund aus allen situationen, die er positiv bewältigt.
überforderung müssen wir daher unbedingt vermeiden.

4. eigenständigkeit

es mag aufs erste widersprüchlich klingen, wenn wir sagen,
der unsichere und (übermäßig) anhängliche hund braucht eigenständigkeit.
genau die hat er ja nicht und ist deswegen so anhänglich!

das stimmt natürlich.
es soll aber nicht auf ewig so bleiben.
die anhänglichkeit ist ja eben kein ausdruck von liebe zum menschen,
sondern von unbehagen und unsicherheit im hund.

daher sollten wir uns darum bemühen,
ihm zu mehr eigenständigkeit und selbstvertrauen zu verhelfen.
schrittweise selbstverständlich und ohne dem hund den nötigen rückhalt vorzuenthalten.

alle aufgabenstellungen, wo der hund auch mal alleine ausprobieren und zum erfolg kommen kann,
alles, wo er sich entspannen und auch mal mit etwas abstand zum menschen zur ruhe kommen kann,
hilft ihm dabei.

5. richtiges feedback

wenn ein hund einem dauernd hinterher läuft, passiert üblicherweise folgendes:
man spricht ihn an.

entweder mit koseworten und positiver zuwendung
(na mein kleiner, gehst du mit mir gemeinsam ins bad…. und ähnliches)
oder indem man ihn auf seinen platz schickt oder bringt,
damit er kurz mal dort bleibt und sich vielleicht entspannt.

irgendeine reaktion bekommt er in der regel recht häufig.
dummerweise belohnt die das, was er gerade tut: nämlich dem menschen hinterherlaufen.
es kann dadurch zu aufmerksamkeitsheischendem verhalten werden.

der hund sitzt sozusagen einem missverständnis auf:
vielleicht würde er seine anhänglichkeit der ersten tage (wo sie ja noch normal ist) schon längst ablegen können,
wenn er nicht denken würde:
„mein mensch möchte, dass ich immer bei ihm bin. 
der will, dass ich hinterherlaufe. 
dafür lobt er mich ja ganz oft.“

die kunst besteht darin, nicht auf den hund zu reagieren,
wenn er einem überallhin hinterhertreppelt,  ihn nicht falsch zu belohnen,
trotzdem aber für ihn präsent zu sein und rückhalt zu bieten, wenn er das braucht.

wird das jemals anders?

mit der anhänglichkeit ist das ja so eine sache:
oft empfinden wir menschen das als durchaus schmeichelhaft, solange es nicht zu viel wird.

eine gewisse anhänglichkeit bei sensibleren hunden oder etwas unsicheren hunden, ist auch kein problem.
es gibt nunmal eigenständigere und anhänglichere hundenaturen.

zum problem wird das ganze erst, wenn der hund übertrieben anhänglich wird,
wenn er einen auf schritt und tritt verfolgt und wirklich stress bekommt,
wenn das mal nicht geht oder eine geschlossene tür dazwischen ist.

dann sollte man sehr wohl etwas unternehmen,
damit der hund mehr sicherheit und selbstvertrauen entwickeln kann.

grundlegend kann man den bindungstyp zwar nicht verändern,
modifizieren kann man ihn aber sehr wohl
und damit dem hund zu einem entspannteren leben verhelfen.

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.