aufmerksamkeitsheischendes verhalten ist dem hund in die wiege gelegt.
buchstäblich.
der welpe quiekt und schon kümmerst sich jemand um ihn.
(anfangs die mutterhündin, später der mensch).
und der kleine lernt: ah, so geht es, wenn ich was haben will, ich quieke!
natürlich ist bei den welpen im wurf noch kein kalkül dahinter,
sie quieken, wenn sie sich nicht wohl fühlen oder was brauchen.
doch das prinzip bleibt dem hund erhalten.
je nachdem, wie die umwelt darauf reagiert, bleibt es im normalen rahmen
oder aber es ufert aus und der hund nutzt es, um fortan seine menschen zu erziehen.
denn eines hat jeder hund schnell heraus:
was er machen muss, damit sich sein mensch mit ihm beschäftigt.
in welcher form auch immer, hauptsache aufmerksamkeit.
der hund macht irgendwas, probiert was aus oder reagiert aus aufregung so –
gleichzeitig lernt er aber: das bringt mir aufmerksamkeit vom menschen.
also macht er’s wieder.
und schon haben wir einen hund, der gezielt sachen klaut – für ein lustiges fangenspiel,
der in die leine beißt und zerrt – für ein nettes zerrspiel,
der am menschen hochspringt – für die ansprache, die er kriegt (egal in welchem tonfall),
der bellend zum zaun rennt – weil sein mensch ihn dann ruf tund lobt
usw.
die unwahrscheinlichsten verhaltensweisen, die ursprünglich eine andere ursache hatten,
können zu aufmerksamkeitsheischendem verhalten werden, wie ich hier mal geschildert habe.
doch warum sind das in erster linie unerwünschte verhaltensweisen, die dabei entstehen?
was bekommt aufmerksamkeit?
die aufmerksamkeit folgt bestimmten regeln, beim menschen wie beim hund.
alles, was den gewohnten lauf der dinge unterbricht oder stört, wird mit aufmerksamkeit bedacht.
alles, was nur so normal dahinplätschert eher weniger.
das führt dazu, dass der ruhige hund, der keinen blödsinn macht und nicht „stört“, keine aufmerksamkeit bekommt.
macht er aber unfug und etwas, was wir nicht haben wollen, dann schalten wir uns gleich ein.
was fatale auswirkungen hat.
denn aufmerksamkeit ist immer (!) belohnung.
selbst ein strenges „nein, lass das“ oder gar schimpfen sind aufmerksamkeit
und bestätigen daher das verhalten des hundes.
bestes beispiel: leinegehen.
solange der hund schön an lockerer leine läuft, geht er leer aus.
wenn er ein bisschen zieht und es nicht weiter stört, laufen wir noch mit (und belohnen damit das ziehen).
zieht er stärker, kommt ein mahnendes „langsam“ oder sonst irgendein manöver – und belohnt den hund fürs stärkere ziehen.
fazit: lockere leine bringt nichts, leineziehen bringt aufmerksamkeit und den hund weiter.
was wird der hund also tun?
(übrigens: zum thema leinegehen ohne ziehen gibt es demnächst mehr beim webinar „leinegehen leicht gemacht: 3 simple tipps gegen’s ziehen“, für das du dir gleich hier deinen platz reservieren kannst (kostenlos):
die schwierige kunst, nichts zu tun
in der theorie wissen wir ja, dass wir erwünschtes verhalten belohnen
und unerwünschtes verhalten ignorieren (oder vermeiden) sollten.
in der praxis haben wir aber genau in dem moment,
wo was falsch läuft, das bedürfnis, jetzt aber was zu tun.
damit das „falsche“ möglichst rasch aufhört.
das ignorieren – also den hund nicht auch noch mit aufmerksamkeit für unerwünschtes verhalten zu belohnen –
geht uns gegen den strich.
wir hören dann „das kann ich ihm ja nicht durchgehen lassen“ oder
„da muss ich doch was dagegen tun“.
was nur zu menschlich ist.
nichts zu sagen, wenn der hund quengelt oder bellt,
den hund konsequent (!) zu ignorieren,
wenn er einem auf schritt und tritt hinterherrennt und spielsache vor die füße wirft,
das kostet überwindung.
nicht zuletzt weil „nichts tun“ uns so schwer fällt.
meist hilft es daher, wenn man den entzug der aufmerksamkeit aktiv definiert.
also nicht: hochspringen ignorieren,
sondern: wenn der hund hochspringen will, umdrehen und die landschaft bewundern.
oder: wenn der hund beim warten fiept oder wufft, nicht „ignorieren“ denken,
sondern: ausatmen, wegschauen und auf einen moment der stille warten, der mindestens 4 sekunden dauert,
dann erst den hund mit aufmerksamkeit bedenken.
alles andere kann der hund nur missverstehen.
das große missverständnis
wie wir reagieren, kommt beim hund immer als ein feedback für sein verhalten an.
als zentraler sozialpartner des hundes spielen wir eine große rolle in seinem leben.
jede unserer regungen kann für den hund von bedeutung sein.
klar beobachtet er uns daher sehr genau.
wann immer wir also auf das eingehen, was der hund gerade tut, ist das wichtig für ihn.
er sieht in jeder art von zuwendung eine bestätigung für sein verhalten,
was dazu führt, dass genau dieses verhalten häufiger wird.
aus hundeperspektive wirkt das so, als möchte der mensch dieses verhalten haben.
warum sonst würde er es auch belohnen?
der mensch will ja offenbar, dass der hund immer hinter ihm herläuft,
warum sonst würde er ihn dafür dauernd mit ansprache belohnen?
(„geh wieder auf deinen platz“ wird so rasch zur bestätigung fürs hinterherlaufen).
der mensch findet es wohl toll, dass der hund bellend zum zaun läuft,
warum sonst würde er ihm als anfeuerung ein lautes „aus jetzt!“ hinterher rufen?
ich könnte mir gut vorstellen, dass hunde uns ganz schön anstrengend finden
und wohl denken: „he, ich würd so gern mal einfach liegen bleiben und pennen,
doch mein mensch steht so drauf, dass ich ihn in jeden raum begleite
und bei jedem geräusch zur wohnungstür renne und melde, also mach ich’s halt.“
dumm gelaufen.
was will man belohnen?
die frage, die man sich regelmäßig stellen sollte, lautet daher:
welches verhalten will ich eigentlich belohnen?
und welches verhalten belohne ich durch meine reaktionen tatsächlich?
wenn uns mal bewusst ist, dass jede form von aufmerksamkeit beim hund als belohnung ankommt,
fällt es uns leichter, unsere aufmerksamkeit gezielter einzusetzen.
das wiederum erleichtert es dem hund ungemeint herauszufinden,
welches verhalten wir von ihm denn wirklich haben wollen.