klar hat man den größten leidensdruck grad dann, wenn der hund ausflippt.
der wunsch „jetzt schnell ein tipp“, wie man das wieder hinbiegt, ist verständlich.
nur leider nicht so einfach.
der moment, wo der hund so richtig hochdreht – egal ob vor begeisterung über den besuch oder vor zorn über den anderen hund – ist zu vergleichen mit dem augenblick, wo der topf überkocht.
der schaden ist sozusagen schon angerichtet,
man kriegt das zeug nicht mit einem „tipp“ wieder zurück in den topf
und kann nur mehr schauen, dass es nicht noch schlimmer wird.
dem hund geht’s ähnlich wie dem topf.
indem staut sich auch immer mehr an,
die temperatur steigt und steigt,
und irgendwann ist da kein platz mehr und der druck zu groß – und es knallt.
das gilt auch dann, wenn die sache gar nicht so dramatisch ist:
wenn der hund nur „ein bisschen“ am zaun bellt,
wenn er nur abends verrückt durch die wohnung flitzt und keine ruhe gibt
oder wenn er einen an strammer leine und unansprechbar durch den wald zerrt.
das prinzip dahinter ist dasselbe:
zu viel aufregung.
überforderung mit der situation.
keine „luft“ mehr, also keine kapazität, noch was zu bewältigen.
überforderung als ursache
die ursache ist nämlich immer irgendeine form von überforderung:
vielleicht ist der hund ängstlich und die angst wird zu groß.
vielleicht ist er nach einem langen tag (und vielen wochen) so mit reizen überflutet, dass er einfach nicht mehr kann.
vielleicht ist er so angespannt und aufgeregt, dass keine impulskontrolle mehr möglich ist.
in jedem fall schafft er die situation grade nicht
und deswegen eskaliert alles.
wir nennen das dann: ausflippen, aufdrehen, nach vorne gehen, verrückt spielen,…..
das ganze ist nicht zuletzt deswegen so belastend,
weil wir menschen mit der situation dann selber überfordert sind.
wir haben keine kontrolle mehr über den hund (sonst würd er ja nicht ausflippen),
wir wissen nicht, wie wir’s verhindern sollen,
geschweige denn, wie wir’s hätten vermeiden können.
klar hätten wir dann gern einen „tipp“, wie ganz schnell alles wieder gut ist.
ich hab nun hier mal zusammengetragen,
welche tipps ich seriöserweise geben kann, damit es zumindest rasch besser wird.
das geht aber nur in drei phasen:
die rote phase
in der roten phase herrscht alarm und notfall.
es ist der moment, wo der hund grade überdreht, losbellt oder nach vorne geht.
sozusagen der augenblick, wo der kochtopf überkocht.
in diesem moment können wir uns nur um schadensbegrenzung bemühen
und versuchen, das ganze so gut wie geht über die bühne zu bringen.
eine „lösung“ ist in diesem augenblick nicht möglich,
nur notfallmanagement.
was du tun kannst:
a) tief ausatmen
wer sich selber mit aufregt und anspannt, macht die sache immer noch schlimmer.
der hund reagiert ja super sensibel auf seinen menschen
und missversteht dessen anspannung als zeichen für gefahr oder gebotene aufregung.
manchmal triggert sogar die anspannung des menschen („oje, jetzt geht das theater gleich wieder los“)
die reaktion vom hund.
da wir uns im angesicht einer möglicherweise doofen reaktion des hundes gern verspannen,
muss man aktiv gegensteuern:
tief ausatmen, bewusst die schultern und arme entspannen,
das senkt automatisch den eigenen pegel und die eigene aufregung
und hilft damit dem hund.
b) nichts wie weg
so wie man den überkochenden topf schnell von der platte nehmen muss,
so muss man mit dem hund schnell aus der situation, in der er grade ausflippt.
„aus der situation“ heißt ganz konkret:
entweder weggehen oder die anderen wegschicken oder beenden, was grad läuft.
das sagt sich leicht, ist in der praxis aber nicht immer so simpel.
vor allem, wenn man vorher nicht geübt hat.
eine sache muss der hund nämlich in dem moment kennen und gut tolerieren:
am rückensteg des brustgeschirrs festgehalten zu werden.
das ist nämlich die sicherste methode,
den hund zu halten (zum beispiel bei begegnungen)
und ihn am weiter vorgehen zu hindern.
man dabei auch noch am ehesten die chance,
den hund von der stelle zu bewegen – nämlich seitlich wegzugehen mit ihm – wenn nötig.
oder aber die anderen beteiligten wegzuschicken und dann den hund aus der heftigen reaktion rauszubringen.
also rechtzeitig üben!
c) runterfahren
direkt nach dem überkochen ist der topf noch heiß, also vorsicht!
genauso beim hund: der läuft grad auf tausend.
und das blödeste wäre, wenn jetzt gleich nochmal was aufregendes passiert,
denn jetzt flippt er bei der kleinsten kleinigkeit aus.
daher ist die devise nun: abkühlen.
viele hunde reagieren gut drauf, wenn man sie eine handvoll ausgestreute leckerchen suchen lässt (das beruhigt nämlich).
oder wenn sie was zwischen die zähne kriegen (von beißwurst bis kauknochen) und sich dran abreagieren können.
ein stück ruhiges gehen (um aus der gefahrenzone zu kommen)
und dann ruheübungen wie ein sitz und kurz bleiben oder ein platz, können auch helfen.
jedenfalls aber aufpassen, denn die nächste stunde oder so ist der hund viel reaktiver als sonst.
die gelbe phase
wie bei der ampel bedeutet gelb auch beim hund:
achtung, jetzt kommt dann gleich rot!
es ist die zeitspanne kurz oder unmittelbar vor einem schwierigen moment
und einem möglichen ausflippen.
bzw. die zeit gleich danach, wo – wie oben erwähnt – erhöhte vorsicht geboten ist.
hier haben wir noch (!) die chance, alles in ruhigere bahnen zu lenken
und das schlimmste zu vermeiden.
der beste tipp besteht darin, die gelbe phase gut zu nutzen und nicht zu verlassen!
was du tun kannst:
a) stress erkennen
nur wer merkt, dass der hund allmählich (oder auch schnell) richtung ausflippen tendiert,
der hat eine chance, die situation noch gut zu bewältigen.
dazu gehört vor allem, den hund gut zu „lesen“
und schon die ersten frühwarnsignale zu erkennen,
nicht erst die dramatischen zeichen von stress.
mehr tipps dazu gibt’s in der videoaufzeichnung vom webinar „stress rechtzeitig erkennen“, die nochmal für zwei tage zugänglich gemacht wird. du kannst dir hier das video (kostenlos) bestellen:
b) aufmerksamkeit holen
wenn sich eine potentiell schwierige situation anbahnt,
dann besteht das um und auf darin,
sich die aufmerksamkeit des hundes zu holen
und den dazu zu kriegen, sich wieder an seinem menschen zu orientieren.
der erste blick zum menschen, das erste umorientieren ist der wichtigste moment.
dann ist nämlich schon der fokus auf die bevorstehende aufregung gebrochen
und man hat eine chance, mit dem hund auszuweichen,
wegzugehen oder ihn auch nur ruhig sitzen und abwarten zu lassen
(was eben das geeignetste für die situation ist).
es ist einer der vielen grunde, warum ein gut funktionierendes aufmerksamkeitssignal
unbedingt in die grunderziehung des hundes vom ersten moment an gehört.
wenn du noch keines hast oder deines neu aufbauen magst,
kannst du das mit der (kostenlosen) „aufgepasst-challenge“ gut einüben.
c) luft schaffen
aufregung und potentielles ausflippen nehmen durch einige faktoren zu:
räumliche enge, geringere entfernung zum trigger und – wie erwähnt – anspannung des menschen.
deswegen ist es immer hilfreich, wenn man mehr abstand halten kann:
im großen bogen ausweichen, wenn einem jemand entgegenkommt.
den hund in eine rückzugszone bringen, wenn jemand kommt
oder im garten erst gar nicht zum zaun lassen und ähnliches.
luft lassen gilt auch im übertragenen sinn:
wer den hund an der leine ganz kurz nimmt und direkt neben sich hält,
bringt mehr zündstoff und anspannung rein als nötig.
kontrolle über den hund hat man mehr,
wenn das aufmerksamkeitssignal funktioniert und man an längerer leine ein paar schritte zur seite gehen kann.
die grüne phase
die wirkliche lösung für das ausflippen des hundes liegt in der grünen phase.
es sind die stunden, tage, wochen oder monate BEVOR ein heikler moment entsteht.
also die zeitspanne, die wir gut nützen könnten,
wenn uns bewusst wäre, dass sie direkt mit unserem problem zusammen hängt.
nur dass wir in dieser zeitspanne noch keinen leidensdruck haben.
was du tun kannst:
a) aufregung runter
wir wissen ja: heikel wird es immer dann, wenn der hund zu aufgeregt ist.
und besonders dann, wenn er generell in einem zu hohen erregungspegel ist.
denn dann reichen kleinigkeiten und schon geht’s los.
die selben kleinigkeiten würde er locker wegstecken und gelassen nehmen können,
wenn er nicht schon im stress wäre.
also sind stressvermeidung und stressabbau die unerlässliche grundlage,
wenn man schwierige situationen meistern will.
(schau dir gleich mal den kurs „cooler hund“ dazu an, der bringt dazu sehr viel!)
oft ist es sogar so, dass von der schwierigen situation kaum was über bleibt,
wenn der stress erst mal wegfällt.
b) trigger üben
reagiert der hund auf bestimmte auslöser (andere hunde, besucher,….) immer mit aufregung udn womöglich ausflippen,
und das obwohl man schon ein systematisches anti-stress-programm durchgezogen hat,
dann spielen andere faktoren wie angst, frustration oder aufmerksamkeitsheischendes verhalten mit,
die man gezielt angehen muss.
ein paar tipps dazu gibt es dazu in diesem artikel
wenn wirkliche verhaltensprobleme bestehen , macht die begleitung durch eine/n versierte/n trainer/in oder ein geeigneter kurs den meisten sinn.
fazit
wer genug hat vom ausflippen des hundes,
wer sich und seinem hund diese momente ersparen möchte,
für den muss es ziel sein, den hund in der „grünen phase“ zu halten.
alles andere ist und bleibt drüberretten und notfall-management.
und das ist auf dauer unbefriedigend.