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by brigid

Mai 29, 2016

dein hund will dich also beschützen? knurrt  jeden an, der näher kommt. zerrt wild an der leine und verbellt jeden anderen hund, der sich euch nähert. lässt keinen fremden ins haus und unterwegs mal kurz stehen bleiben und mit jemandem plaudern, geht gar nicht, wenn der hund dabei ist.

gern hört man dann: der will dich beschützen!

aber will er das wirklich?

simple antwort: nein.

genauso könntest du fragen:

will dein kind dich beschützen, wenn es sich im sandkasten mit nem andern prügelt?
oder will es dich beschützen, wenn es sich heulend an deinem rockzipfel hängt, wenn der gasableser kommt?

natürlich nicht!

das sind in etwa die gleichen situationen, in denen dein hund steckt, wenn er dich angeblich „beschützen“ will.

beschützen würde heißen: ein souveräner, gelassener und sicherer hund bemerkt eine echte bedrohung, kommt zu dir, schiebt sich (ruhig!) zwischen dich und die bedrohung und hält sie durch imponiergehabe und souveräne drohgebärden auf abstand.

in all den jahren, die ich nun mit hunden arbeite und lebe, habe ich so was vielleicht (!) ein einziges mal erlebt. so selten ist das nämlich.

was klar ist: denn das thema schutz läuft andersrum. wir sind die für den schutz zuständigen und unser hund sucht ihn bei uns. so wie kinder zu den eltern gelaufen kommen, wenn sie rückhalt brauchen.

„sozialer rückhalt“ oder „sozialer beistand“ wird das genannt. du bist für deinen hund da, wenn er dich braucht.
(hoffentlich.)

was beim vermeintlichen „beschützen“ passiert, ist meist ganz was anderes: der hund ist unsicher, mit der situation überfordert, sehr aufgeregt und findet keinen anderen ausweg, als mit getöse und gebell zu reagieren.

klassischer fall: der leinenpöbel!
das letzte, was der im sinn hat, ist dich zu beschützen. der hat einfach gelernt, dass hundebegegnungen an der leine maximal angespannt verlaufen, womöglich weh tun (ziehen am halsband!) oder frustrierend sind,  kein ausweichen möglich ist und der eigene mensch auch total aufgeregt ist. ergo: zerren, ziehen, bellen, hinspringen, theater.

ein hund, der vermeintlich „beschützt“ hat üblicherweise einen der folgenden drei gründe:

1. unsicherheit

ob dein hund sich vor besuchern fürchtet, passanten bedrohlich findet,  fremde menschen an der leine verbellt oder bei hundebegegnungen an der leine austickt – immer ist er dabei mit der situation überfordert, im grunde unsicher und greift daher zur notfallmaßnahme abwehr. weil ausweichen und flucht nämlich grad nicht möglich sind. und weil er selber nicht beschützt wird (von dir nämlich!)).

das letzte, was der hund grad im sinn hat: jemand anderen beschützen! dazu ist er viel zu sehr mit sich selber beschäftigt. wer selber angst hat, kümmert sich erst mal um die eigene sicherheit.

der unsichere hund braucht selber schutz und sicherheit. und muss danach vielleicht lernen, wie man diese situationen angemessen bewältigen kann und dass ihm gar keine gefahr droht.
was zusätzlich hilft: am selbstvertrauen des hundes zu arbeiten, zum beispiel durch erfolgserlebnisse, wie er sie bei stressabbauenden denkspielen gut haben kann.

2. ressourcenverteidigung

dem „beschützen“ am nächsten kommt jenes verhalten, das der hund zeigt, wenn er eine ressource verteidigen will.

dabei geht es aber nicht um selbstlosen schutz, sondern darum, den eigenen besitzanspruch durchzusetzen, also:

  • dieser knochen gehört mir, bleib ja von dem weg, knurr.
  • dieser liegeplatz ist meiner, hier hast du nichts verloren, bell.
  • dieser mensch gehört mir /der futterbeutel an diesem menschen gehört mir, bleib bloss weg. knurr.

es kann also durchaus sein, dass dein hund dich gegen andere hunde verteidigt – wenn er findet, du bist sein besitz und den sorgsam hütet, egal ob anderen hunden oder menschen gegenüber.   „beschützten“ im eigentlichen sinn ist das keinesweg.

niedlich oder lustig ist das übrigens auch nicht. ressourcenaggression muss man ernst nehmen und am besten mit einer/m wirklich erfahrenen und kompetenten verhaltenstrainer/in bearbeiten.  (wenn du unterstützung brauchst, kannst du mich gern kontaktieren).

3. stress

ja, manchmal ist das ganze getöse einfach nur ausdruck von blank liegenden nerven.  es kann sogar vorkommen, dass ein selber gestresster hund die zusätzliche „aufregung“ (die es für ihne jedenfalls bedeutet) von zwei menschen, die sich umarmen wollen, nicht erträgt und deswegen raufhüpft und bellt.

je höher der eigene stress ist, desto weniger hält der hund nämlich anspannung oder aufregung in seiner umgebung aus. und reagiert dann natürlich entsprechend heftigt. mit beschützen hat das logischerweise ganz und gar nichts zu tun.

die beste abhilfe, die der hund auch dringend braucht, ist systematischer stressabbau. gelassenheit und entspanntes verhalten des hundes für aufregende situationen zu üben, ist der nächste notwendige schritt.

das thema beschützten ist wichtig – aber andersrum! achte du drauf, deinen hund vor situationen zu schützen, in denen er unsicher auf sich allein gestellt und daher überfordert ist. sei für ihn da, biete ihm rückhalt und zeig ihm dann behutsam und überlegt, dass ihm von den vermeintlichen bedrohungen gar keine gefahr droht.
für den schutz bist nämlich du zuständig!

über die autorin 

brigid

brigid weinzinger ist tiertrainerin und verhaltensberaterin für hund, katz, pferd und mensch. sie bloggt auf www.denktier.at über das leben mit tieren und tipps für deren ausbildung.